MS

Siponimod

Handelsname Mayzent®

Das Medikament

Kurzgefasst: Siponimod (Mayzent®) ist in der EU seit 2020 für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit sekundär progredienter Multipler Sklerose (SPMS) mit Krankheitsaktivität, nachgewiesen durch Schübe oder Bildgebung, zugelassen (aktive SPMS). Siponimod ist als Filmtablette in 0,25mg und 2mg erhältlich. Die individuelle Dosis richtet sich nach dem Metabolisierungstyp, der vor Beginn der Therapie im Blut bestimmt wird.
Siponimod verhindert bei einem Teil der Patienten mit Multipler Sklerose die Zunahme der Behinderung (festgestellt mit Hilfe des EDSS-Wertes). Häufige Nebenwirkungen des Medikaments sind eine vorübergehende Verlangsamung der Pulsfrequenz und eine Verminderung der Anzahl weißer Blutkörperchen. Darüber hinaus werden Erhöhungen der Leberwerte beobachtet. Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen sind Infektionserkrankungen und eine Veränderung des Augenhintergrunds mit möglicher Verschlechterung des Sehvermögens. Zur Überwachung müssen regelmäßige Blutkontrollen erfolgen. Bei vorliegendem Risiko oder entsprechenden Beschwerden müssen zusätzliche spezielle Untersuchungen veranlasst werden.

Was ist Siponimod?
Siponimod gehört zu der Gruppe von Arzneimitteln, die als Sphingosin-1Phosphat-Rezeptor-Modulatoren (oder auch S1P-Rezeptor-Modulatoren) bezeichnet werden. Siponimod wirkt, indem es die Funktionsweise des Immunsystems beeinflusst und dadurch die Nervenzellen vor den Angriffen der körpereigenen Immunzellen schützt. Der Wirkstoff ist eine Weiterentwicklung des zuerst zugelassenen Wirkstoffs Fingolimod.

Wie wirkt Siponimod?
Siponimod setzt sich an die Bindungsstelle des sogenannten S1P-Rezeptors. Dieser befindet sich in vielen Geweben des Körpers. Bei der Multiplen Sklerose (MS) entfaltet Siponimod seine Wirkung in erster Linie über das Immunsystem. Das Medikament verhindert, dass bestimmte Zellen, die Lymphozyten, aus den Lymphknoten ins Blut übertreten. Dadurch gelangen weniger Lymphozyten in die Zirkulation und damit auch weniger Lymphozyten in das Nervensystem, das dadurch weniger geschädigt wird.

Siponimod führt also zu einer Umverteilung (und nicht zu einer Zerstörung) von Lymphozyten. Deshalb ist die Zahl der Lymphozyten im Blut unter Siponimod oft niedriger – das ist Teil der gewünschten Wirkung. Es bedeutet aber nicht, dass das Immunsystem dauerhaft geschädigt ist. Die Wirkung von Siponimod ist umkehrbar (reversibel). Das heißt, wenn man das Medikament absetzt, können die Lymphozyten wieder ins Blut übertreten und das Blutbild normalisiert sich.

Für wen ist Siponimod zugelassen?
Siponimod ist seit Januar 2020 von der europäischen Zulassungsbehörde (EMA) für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit sekundär progredienter Multipler Sklerose (SPMS) mit Krankheitsaktivität, nachgewiesen durch Schübe oder Bildgebung, zugelassen (aktive SPMS).

Wie wird Siponimod eingenommen?
Siponimod wird 1x täglich als Tablette eingenommen. Um die Dosierung individuell anzupassen, ist vor Beginn der Therapie die Bestimmung des persönlichen Metabolisierungstyps durch eine genetische Testung im Blut notwendig. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Medikaments kann durch den Metabolisierungsstatus beeinflusst sein.

  • Bei Patienten mit einem normalen Metabolisierungsstatus wird Siponimod mit 2mg 1x täglich verabreicht.
  • Bei Patienten mit einem intermediären Metabolisierungsstatus wird Siponimod mit 1mg 1x täglich verabreicht.
  • Bei Patienten mit einem langsamen Metabolisierungsstatus darf Siponimod nicht eingenommen werden.

Es gibt eine anfängliche Eindosierungsphase bis zum Erreichen der jeweiligen Zieldosis. Zu Beginn der Behandlung muss sich der Körper erst an den Wirkstoff gewöhnen. Vor allem das Herz kann empfindlich auf Siponimod reagieren. Wenn direkt mit der vollen Dosis gestartet wird, kann es in seltenen Fällen zu einem verlangsamten Herzschlag kommen. Wie das Eindosierungsschema bei den unterschiedlichen Metabolisierungstypen genau aussieht, ist für den behandelnden Arzt aus entsprechenden Tabellen ersichtlich.

Wenn Siponimod über vier oder mehr Tage am Stück nicht eingenommen wurde, ist eine erneute Eindosierung notwendig! Wird die Einnahme einmalig vergessen, ist die Behandlung mit der nächsten Dosis wie geplant fortzusetzen.

Wirkung

Klinische Studien zur Wirksamkeit von Siponimod bei sekundär progredienter MS (SPMS)

Die Wirkung von Siponimod wurde in der klinischen Phase-III Zulassungsstudie EXPAND geprüft und 2018 veröffentlicht. Im Folgenden werden die Ergebnisse der EXPAND-Studie gezeigt, die sich auf die Anwendung bei Erwachsenen mit aktiver SPMS beziehen.

EXPAND
Insgesamt wurden in der EXPAND-Studie (von Kappos et al.) 1.645 Patienten mit SPMS über einen Zeitraum von durchschnittlich 21 Monaten untersucht. Eingeschlossen wurden Patienten mit einem EDSS-Wert von 3,0 bis 6,5, wenn sie im Jahr vor Studienbeginn einen Schub hatten oder Hinweise auf entzündliche Aktivität im MRT zeigten.

In der EXPAND-Studie wurden die Patienten nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt 1x täglich 2 mg Siponimod (1099 Patienten), die andere Gruppe erhielt 1x täglich ein Placebo (546 Patienten). Untersucht wurden unter anderem das Fortschreiten der Behinderung als primärer Endpunkt der Studie sowie die Krankheitsaktivität durch klinische Schübe oder MRT-Veränderungen.

Wirkung auf die Verhinderung des Fortschreitens der Behinderung

Die Behinderungsprogression wird innerhalb einer klinischen MS-Studie gemessen, indem man untersucht, wie viel Prozent der Patienten einer Studiengruppe sich während der Studiendauer um einen EDSS-Punkt auf der Behinderungsskala verschlechtert haben (wobei diese Verschlechterung nach 3 Monaten nochmals bestätigt wird, um auch wirklich eine anhaltende Veränderung zu bewerten).

Im Folgenden wird erklärt, wie viele Patienten nach 2 Jahren Therapie unter Siponimod oder Einnahme von Placebo keine Zunahme der Behinderung hatten. Dargestellt sind der absolute Nutzen (absolute Risikoreduktion) und der relative Nutzen (relative Risikoreduktion).

Absoluter Nutzen: Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl der Patienten mit einer Zunahme der Behinderung in der Siponimod-Gruppe (26 von 100 Patienten) von denen ohne Zunahme der Behinderung in der Placebo-Gruppe (32 von 100 Patienten) abzieht. Tatsächlich profitieren 32-26=6, also 6 von 100 Patienten von der Therapie.

  • Entspricht einer absoluten Risikoreduktion von: 6 %

Relativer Nutzen: Wird die Wirkung nur bezogen auf die Patienten mit Zunahme der Behinderung dargestellt, haben in der Placebo-Gruppe 32 von 100 Patienten eine Zunahme der Behinderung erfahren und in der Siponimod-Gruppe sind es mit 26 von 100 Patienten 6 weniger. 6 von 32 sind in Prozent umgerechnet 19%.

  • Entspricht einer relativen Risikoreduktion von: 19 %

Wirkung auf die Verhinderung von Krankheitsschüben

Im Folgenden wird erklärt, wie viele Patienten nach 2 Jahren Therapie mit Siponimod oder Einnahme von Placebo noch schubfrei waren. Daraus kann man den absoluten Nutzen (absolute Risikoreduktion) und den relativen Nutzen (relative Risikoreduktion) berechnen.

Absoluter Nutzen: Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl der Patienten mit Schüben in der Siponimod-Gruppe (11 von 100 Patienten) von denen mit Schüben in der Placebo-Gruppe (19 von 100 Patienten) abzieht. Tatsächlich profitieren 19-11=8, also 8 von 100 Patienten von der Therapie.

  • Entspricht einer absoluten Risikoreduktion von: 8 %

Relativer Nutzen: Wird die Wirkung nur bezogen auf die Patienten mit Schüben dargestellt, haben in der Placebo-Gruppe 19 von 100 Patienten einen Schub und in der Siponimod-Gruppe sind es mit 11 von 100 Patienten 8 weniger. 8 von 19 sind in Prozent umgerechnet 42%.

  • Entspricht einer relativen Risikoreduktion von: 42 %

Wirkung auf die Ergebnisse der Kernspintomografie (MRT)

In der Kernspintomografie werden Kontrastmittelanreicherungen und sogenannte T2-Herde sichtbar, die als Ausdruck der Entzündung bei MS betrachtet werden. Dabei können Herde größer werden oder ganz neu auftreten. In der EXPAND-Studie wurden auch MRT-Veränderungen unter Siponimod und Placebo über einen Zeitraum von 2 Jahren verglichen.

37 % der Patienten in der Placebo-Gruppe und 57 % der Patienten in der Siponimod-Gruppe blieben über die Studiendauer frei von neuen oder sich vergrößernden T2-Herden.

67 % der Patienten in der Placebo-Gruppe und 89 % der Patienten in der Siponimod-Gruppe hatten über die Studiendauer keine Herde mit Kontrastmittelanreicherungen.

Nebenwirkungen

Welche Nebenwirkungen hat Siponimod?

Die Nebenwirkungen unter Siponimod in der EXPAND-Studie waren vergleichbar mit den Nebenwirkungen, die bei anderen Arzneimitteln aus der gleichen Medikamentengruppe (S1P-Rezeptor-Modulatoren) beobachtet wurden.

Aus den Ergebnissen der EXPAND-Studie ist zu entnehmen, dass 89 % der Patienten in der Siponimod-Gruppe und 82 % der Patienten in der Placebo-Gruppe mindestens eine Nebenwirkung während des Studienzeitraums hatten. In der Siponimod-Gruppe kam es häufiger zu einem Behandlungsabbruch aufgrund von Nebenwirkungen als in der Placebo-Gruppe (Siponimod 8 % gegenüber Placebo 5 %).

Die Darstellung der Nebenwirkungen folgt der Sicherheitsanalyse der Zulassungsstudie. Die wesentlichen Nebenwirkungen von Siponimod umfassen Bluthochdruck (arterielle Hypertonie), Leberwerterhöhungen, ein potentiell erhöhtes Infektionsrisiko (insbesondere Reaktivierung einer Herpes-Zoster-Infektion), Verlangsamung der Herzfrequenz (Bradykardie) bei Behandlungsbeginn, Augenhintergrundveränderungen (Makulaödem), Krampfanfälle (epileptische Anfälle), Verminderung der Lymphozytenzahl im Blut (Lymphopenie), maligne (bösartige) Erkrankungen der Haut, Störungen der Lungenfunktion, und Fehlbildungen beim ungeborenen Kind.

Die Darstellung der Nebenwirkungen folgt der Sicherheitsanalyse der Zulassungsstudie. Die wesentlichen Nebenwirkungen von Siponimod umfassen Bluthochdruck (arterielle Hypertonie), Leberwerterhöhungen, ein potentiell erhöhtes Infektionsrisiko (insbesondere Reaktivierung einer Herpes-Zoster-Infektion), Verlangsamung der Herzfrequenz (Bradykardie) bei Behandlungsbeginn, Augenhintergrundveränderungen (Makulaödem), Krampfanfälle (epileptische Anfälle), Verminderung der Lymphozytenzahl im Blut (Lymphopenie), maligne (bösartige) Erkrankungen der Haut, Störungen der Lungenfunktion, und Fehlbildungen beim ungeborenen Kind.

Die häufigsten Nebenwirkungen im direkten Vergleich

Placebo Siponimod
Lymphonie
Krampfanfälle
Makularödem
Verlangsamung der Herzfrequenz
Herpes-Zoster-Infektionen
Leberwerterhöhung
Bluthochdruck
Anteil Studienpatienten

Quelle: EXPAND-Studie (Kappos et al.)

Grundsätzlich ist wichtig zu wissen, dass Nebenwirkungen in Studien nicht nur bei den Patienten auftreten, die das Medikament erhalten, sondern auch in der Studiengruppe mit einem bekannten Medikament oder Placebo.

Bluthochdruck (arterielle Hypertonie)

Bluthochdruck (arterielle Hypertonie)

Bei 12,6 % der mit 2 mg Siponimod behandelten Patienten und bei 9,0 % der mit Placebo behandelten Patienten wurden geringe Blutdruckerhöhungen beobachtet. Der Effekt zeigte sich nach einem Monat und hielt so lange an, wie das Medikament eingenommen wurde.

 

Leberwerterhöhung

Leberwerterhöhung

In der EXPAND-Studie wurden um 3-fach erhöhte Werte zur Obergrenze des Normalwerts für die Enzyme Alanin-Aminotransferase (ALT oder GPT abgekürzt) oder Aspartat-Aminotransferase (AST oder GOT abgekürzt) bei 11,3 % der mit 2 mg Siponimod behandelten Patienten und bei 3,1 % der mit Placebo behandelten Patienten beobachtet. Die meisten Ereignisse traten innerhalb der ersten sechs Monate nach Therapiebeginn auf und erholten sich innerhalb von einem Monat nach Absetzen der Therapie.

Herpes-Zoster-Infektionen

Herpes-Zoster-Infektionen

In der EXPAND-Studie war die Gesamtrate an Infektionen zwischen Patienten unter Siponimod und Patienten unter Placebo vergleichbar (jeweils 49 % in beiden Gruppen). Jedoch wurde unter Siponimod im Vergleich zu Placebo über eine erhöhte Rate von Herpes-Zoster-Infektionen berichtet (Siponimod 3 % gegenüber Placebo 1 %). Ein Fall einer Reaktivierung des Windpocken-Virus (Herpes Zoster), die zu einer Hirnhautentzündung führte, wurde in der EXPAND-Studie berichtet.

Verlangsamung der Herzfrequenz (Bradykardie) bei Behandlungsbeginn

Verlangsamung der Herzfrequenz (Bradykardie) bei Behandlungsbeginn

In den ersten Tagen der Behandlung kann Siponimod eine Verlangsamung der Herzfrequenz (Bradykardie) hervorrufen. In der EXPAND-Studie trat eine Verlangsamung der Herzfrequenz bei 6,2 % der mit Siponimod behandelten Patienten und bei 3,1 % der mit Placebo behandelten Patienten auf. Die meisten Patienten mit einer Verlangsamung der Herzfrequenz waren ohne Symptome. Einige Patienten verspürten Schwindel, der sich in der Regel nach 24 Stunden zurückbildete.

Augenhintergrundveränderungen (Makulaödem)

Augenhintergrundveränderungen (Makulaödem)

Eine Veränderung des Augenhintergrunds mit Wassereinlagerung in der Netzhautmitte an der Stelle des schärfsten Sehens (auch Makulaödem genannt), wurde in der EXPAND-Studie bei 1,8 % der mit Siponimod behandelten Patienten und bei 0,2 % der mit Placebo behandelten Patienten beobachtet. In den meisten Fällen traten diese Probleme etwa drei bis vier Monate nach Beginn der Therapie auf. Diese Veränderungen normalisierten sich in der Regel nach Absetzen des Medikaments. Es wird daher bei allen Patienten drei bis vier Monate nach Beginn der Behandlung und bei Risikopatienten zusätzlich vor Beginn der Behandlung mit Siponimod empfohlen, eine Untersuchung der Netzhaut durch den Augenarzt vornehmen zu lassen, um diese seltene, aber ernsthafte Nebenwirkung zu entdecken.

 

Die häufigsten Nebenwirkungen im direkten Vergleich

Krampfanfälle

Krampfanfälle

In der EXPAND-Studie wurde bei 1,7 % der mit Siponimod behandelten Patienten über Krampfanfälle (epileptische Anfälle) berichtet, gegenüber 0,4 % der mit Placebo behandelten Patienten.

Verminderung der Lymphozytenzahl im Blut (Lymphopenie)

Verminderung der Lymphozytenzahl im Blut (Lymphopenie)

Durch den Wirkmechanismus von Siponimod kann die Zahl der Lymphozyten im Blut erniedrigt sein. Eine Verminderung der Lymphozytenzahl unter bestimmte Normwerte wird Lymphopenie genannt. Es gab in der EXPAND-Studie 9 Patienten (1 %) in der Siponimod-Gruppe gegenüber keinem Patienten (0 %) in den Placebo-Gruppen, die eine Lymphopenie aufwiesen.

Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle

Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle

Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle traten in etwa gleich häufig bei den Patienten auf, die Siponimod erhielten, und bei denen, die nur ein Placebo (Scheinmedikament) bekamen.

Schwere Nebenwirkungen, die bei mindestens 0,5 % der Patienten in einer der beiden Gruppen auftraten, waren: erhöhte Leberwerte, Basalzellkrebs (eine Form von Hautkrebs), Gehirnerschütterung, Depression, Harnwegsinfektion, Suizidversuch, Gangstörung, MS Schubereignis und Lähmung der Beine (Paraparese).

Krebserkrankungen

Krebserkrankungen

Unter der Therapie mit einem anderen S1P-Rezeptor-Modulator (Fingolimod) stellen Hauttumore, insbesondere Basalzellkarzinome, aber auch andere Neoplasien (Neubildung von Körpergewebe) der Haut, eine bekannte Nebenwirkung dar. In der EXPAND-Studie zu Siponimod wurde keine erhöhte Rate an Basalzellkarzinomen oder anderen Neoplasien der Haut beobachtet.
Angesichts der Erfahrungen mit dem Medikament Fingolimod ist ein regelmäßiges Hautscreening zu empfehlen. Anhaltspunkte für ein erhöhtes Neubildungsrisiko an anderen Organen als der Haut gibt es derzeit nicht. Es ist aber zu beachten, dass alle Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen, das Krebsrisiko erhöhen können. Daher ist eine regelmäßige Vorsorge empfehlenswert.

Welche neuen Nebenwirkungen wurden nach Abschluss der Zulassungsstudien berichtet?

Welche neuen Nebenwirkungen wurden nach Abschluss der Zulassungsstudien berichtet?

Nach der Zulassung und breiteren Anwendung von Siponimod in der ärztlichen Praxis wurden weitere Nebenwirkungen bekannt, die in der Zulassungsstudie entweder nicht oder nur vereinzelt beobachtet wurden.
So wurden in Einzelfällen schwerwiegende Virusinfektionen beschrieben, insbesondere Reaktivierungen des JC-Virus mit der Folge einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML), einer sehr seltenen, aber potenziell lebensbedrohlichen Gehirnentzündung.

Zudem traten bei einigen Patienten stärkere Verminderungen der Lymphozytenzahl (Lymphopenie) auf als erwartet, was regelmäßige Blutbildkontrollen während der Behandlung erforderlich macht.

Einnahme

Wann sollte Siponimod nicht eingenommen werden?

Siponimod sollte nicht angewandt werden bei Patienten:

  • mit deutlichen Leberfunktionsstörungen.
  • mit schweren Herzrhythmusstörungen, Herzschlagverlangsamung, vorherigen Gefäßereignissen (z. B. Herzinfarkt oder Schlaganfall) und bei bestimmten Herz- und Blutdruckmedikamenten. Hier muss die Einnahme mit dem Arzt besprochen werden.
  • mit aktiven (schweren) Infektionen (insbesondere Tuberkulose und Hepatitis B und C).
  • mit einem eingeschränkten Immunsystem.
  • mit aktiven, bösartigen Erkrankungen.
  • mit Basaliomen oder anderen malignen Neoplasien der Haut in der Vorgeschichte.
  • mit Makulaödem (eine Erkrankung des Augenhintergrunds).
  • während einer Schwangerschaft oder während der Stillzeit sowie bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Vor Therapiebeginn sollte eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden.
  • bei denen in der Blutuntersuchung gezeigt wurde, dass ihr Körper Siponimod nicht ausreichend abbauen kann (langsamer Metabolisierungsstatus).
  • mit einer Allergie gegen Siponimod, Erdnüsse, Soja oder einen der sonstigen Bestandteile dieses Arzneimittels.

Bei schweren Atemwegserkrankungen sollte Siponimod nur mit Vorsicht und in Ausnahmesituationen angewendet werden.

Wie wird die Medikamentengabe durchgeführt?

Die Tablette kann mit oder ohne Nahrung eingenommen werden. Um die Dosierung individuell anzupassen, ist vor Beginn einer Therapie mit Siponimod die Bestimmung des Metabolisierungsstatus durch eine genetische Testung im Blut notwendig. Weitere Dosisanpassungen nach Gewicht, Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit müssen nicht vorgenommen werden. Bei einer bestehenden Leberfunktionsstörung muss vor Beginn Rücksprache mit dem behandelnden Arzt gehalten werden.

Vor Therapiebeginn

Worauf ist bei Therapiebeginn zu achten?

Aufklärungsgespräch: Vor der Entscheidung für eine Behandlung werden in einem ausführlichen Arzt-Patienten-Gespräch der Nutzen und die Risiken der Siponimod-Therapie erläutert. Es muss genügend Zeit für den Informationsaustausch und die Entscheidungsfindung gegeben sein. Alle offenen Fragen sollten besprochen werden. Patienten müssen vor Behandlungsbeginn schriftlich in die Behandlung einwilligen.

Vorerkrankungen: Vor der Behandlung mit Siponimod wird ein ausführliches Gespräch über Vorerkrankungen geführt und eine klinische Untersuchung vorgenommen. Außerdem erfolgt eine Routineblutuntersuchung (großes Blutbild, Leber- und Nierenwerte) und insbesondere eine Hepatitis-B-Serologie, auch um bestimmte Vorerkrankungen auszuschließen.

Impfungen: Weil Siponimod die Reaktionsfähigkeit des Immunsystems herabsetzt, sollten vor Therapiebeginn alle Standardimpfungen durchgeführt werden, die die STIKO (Ständige Impfkommission) für Menschen mit einer eingeschränkten Immunfunktion empfiehlt. Insbesondere muss überprüft werden, ob eine Immunität gegenüber Windpocken (Varizellen) besteht – ist dies nicht der Fall, muss vor Gabe von Siponimod gegen Varizellen geimpft werden.

Kernspintomografie (MRT): Vor Beginn einer Therapie mit Siponimod sollte eine aktuelle MRT-Aufnahme des Schädels angefertigt werden, nicht nur um einen Ausgangsbefund zu haben und den Therapieverlauf im Weiteren beurteilen zu können, sondern auch aus Sicherheitsaspekten.

Vortherapien: Falls Sie zuvor bereits eine Therapie erhalten haben, die das Immunsystem beeinflusst oder hemmt, müssen Sicherheitsabstände eingehalten werden. Diese richten sich nach der Wirkdauer der Medikamente. Grundsätzlich sollte sich das Blutbild nach Absetzen einer Vortherapie wieder normalisiert haben. Eine Kurzzeitbehandlung mit Kortikosteroiden (Kortison), z.B. zur Schubtherapie, ist auch während der Behandlung möglich.

Sicherheitsabstände vor Therapie mit Siponimod: Wenn Sie bisher keine andere MS-Therapie erhalten haben, mit Glatirameracetat, einem Interferon-beta-Präparat oder mit Dimethylfumarat / Diroximelfumarat behandelt wurden, kann die Behandlung direkt ohne Sicherheitsabstand begonnen werden. Nach der Behandlung mit Teriflunomid muss ein Sicherheitsabstand von mindestens vier Wochen eingehalten werden. Nach einer Behandlung mit den S1P-Rezeptor-Modulatoren Fingolimod, Ozanimod oder Ponesimod muss ein Sicherheitsabstand von mindestens vier bis sechs Wochen eingehalten werden. Nach einer Therapie mit Natalizumab bzw. einem Natalizumab-Biosimilar muss ein Behandlungsabstand von mindestens sechs bis acht Wochen eingehalten werden. Nach Azathioprin, Methotrexat, Mitoxantron, Ciclosporin A oder Cyclophosphamid ist ein Sicherheitsabstand von mindestens drei Monaten einzuhalten. Patienten, die mit Cladribin behandelt wurden, müssen einen Abstand von mindestens sechs Monaten einhalten. Bei Vortherapie mit Rituximab, Ocrelizumab, Ublituximab oder Ofatumumab wird ein Abstand von mindestens sechs Monaten angeraten. Patienten, die mit Alemtuzumab behandelt worden sind, wird eine Siponimod-Therapie nicht empfohlen.

Was muss vor der Therapie mit Siponimod kontrolliert werden?

Wir empfehlen die folgenden Kontrolluntersuchungen vor der Siponimod-Therapie:

UntersuchungWann
Dokumentierte Aufklärung über Therapie und Risikenvor Therapiebeginn
Anamnese und klinische Untersuchungvor Therapiebeginn,
um Gegenanzeigen zu identifizieren
Blutbild und Differenzialblutbildvor Therapiebeginn
Bestimmung des genetischen Metabolisierungsstatus (CYP2C9-Genotyp)vor Therapiebeginn
Bestimmung der Leber- und Nierenfunktionswertevor Therapiebeginn, um einen Ausgangswert zu bestimmen
Schwangerschaftstest für gebärfähige Patientinnenvor Therapiebeginn, um eine Schwangerschaft auszuschließen
Kernspintomografie des Schädelsvor Therapiebeginn, um einen Ausgangsbefund zu erstellen
12-Kanal-EKGVor Therapiebeginn
Varizella Zoster Virus; ggf. VZV-Impfungvor Therapiebeginn
Infektionssuchevor Therapiebeginn
Hepatitis B, Hepatitis C, HI-Virus, Tbcvor Therapiebeginn empfehlenswert
Untersuchung der Haut vor Therapiebeginn empfehlenswert
Untersuchung der Lunge bei Verdacht auf Lungenfunktionsstörung
Untersuchung des Augenhintergrunds bei erhöhtem Risiko für ein Makulaödem

Während der Therapie

Was muss während der Therapie mit Siponimod kontrolliert werden?

Wir empfehlen die folgenden Kontrolluntersuchungen während der Siponimod-Therapie:

UntersuchungWann / Häufigkeit
klinisch-neurologische Untersuchungalle 3 Monate
Blutbild und Differenzialblutbildzu Beginn der Therapie nach 4 Wochen, danach alle 3-6 Monate
Leberwertezu Beginn der Therapie nach 4 Wochen, danach alle 3-6 Monate
Untersuchung des Augenhintergrunds auf ein Makulaödemnach 3 – 4 Monaten
Blutdruckzu Beginn der Therapie nach 3 Monaten, danach einmal im Jahr
MRTeinmal im Jahr
Dermatologische Untersuchung einmal im Jahr
Untersuchung der Lunge bei Verdacht auf Lungenfunktionsstörung

Verminderung der Lymphozyten
Lymphozytenwerte unter 200 Zellen/μl gelten als Grenzwert.

  • Bei einer 2 mg-Dosierung: Bei einer Verminderung der Lymphozyten unter 200/μl, die in einer zweiten Messung nach zwei Wochen bestätigt wurde, sollte die Dosis von 2 mg auf 1 mg reduziert werden.
  • Bei einer 1 mg-Dosierung: Bei einer bestätigten Lymphozytenzahl unter 200/μl sollte die Behandlung mit Siponimod unterbrochen werden.

Diese Empfehlungen sind als Vorsichtsmaßnahme zu werten, da eine Lymphopenie zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen führen kann.

Leberwerterhöhungen
Wenn die Leberwerte stark ansteigen (mindestens 5-fach über Normalwert), müssen wöchentliche Kontrollen der Werte GOT, GPT, GGT, AP und Bilirubin durchgeführt werden. Bei einem wiederholten Anstieg über das 5-fache der Normalwerte muss Siponimod abgesetzt werden.

Makulaödem
Bei allen Patienten sollte 3 – 4 Monate nach Therapiebeginn eine augenärztliche Kontrolluntersuchung des Augenhintergrunds erfolgen. Bei Patienten mit Diabetes mellitus oder Entzündungen am Augenhintergrund (eine sogenannte Uveitis) sollte diese auch vor Therapiebeginn schon stattfinden. Wenn Sehstörungen auftreten, sollte in jedem Fall eine Augenuntersuchung durchgeführt werden.

Wie lange wird behandelt?

Es gibt bisher keine Empfehlung für die Dauer der Einnahme. Nutzen und Risiko der Einnahme müssen laufend überprüft werden. Ein Abschätzen des Nutzens ist oft frühestens nach einem Jahr möglich. Als Hinweise für eine Wirksamkeit werden allgemeine Schubfreiheit, eine Verhinderung der Behinderungsprogression und das Fehlen neuer Herde in der MRT angesehen. Deshalb empfiehlt das KKNMS eine Ausgangs-MRT des Schädels und anschließend jährlich eine MRT, um Nutzen und auch mögliche Risiken abzuschätzen.

Häufige Fragen

Schwangerschaft und Stillzeit

Schwangerschaft und Stillzeit

Siponimod darf in Schwangerschaft und Stillzeit nicht eingenommen werden. Auf eine wirksame Verhütung muss geachtet werden. Da Siponimod über den Einnahmezeitraum hinaus wirken kann, muss es mindestens 10 Tage vor einem geplanten Schwangerschaftsbeginn abgesetzt werden. Sollte eine ungeplante Schwangerschaft auftreten, muss diese nicht zwingend abgebrochen werden, aber Siponimod muss sofort abgesetzt werden.
In tierexperimentellen Studien wurde eine schädigende Wirkung von Siponimod auf den Embryo beobachtet. In diesen Studien gab es ein gehäuftes Auftreten von Fehlbildungen. Zur Anwendung von Siponimod bei schwangeren Frauen gibt es nur begrenzte Erfahrungen. Allerdings zeigten die klinischen Erfahrungen mit einem anderen S1P-Rezeptor-Modulator (Fingolimod) bei Anwendung während der Schwangerschaft ein 2-fach höheres Risiko für schwere angeborene Fehlbildungen im Vergleich zu der in der Allgemeinbevölkerung beobachteten Rate.

Impfungen

Impfungen

Die Wirksamkeit von Impfungen kann während der Einnahme und bis zu vier Wochen nach Absetzen von Siponimod eingeschränkt sein. Die Unterbrechung der Behandlung für eine Woche vor und vier Wochen nach einer Impfung kann erwogen werden, in diesem Fall ist jedoch das Risiko einer Rückkehr der Krankheitsaktivität zu berücksichtigen. Sogenannte Lebendimpfstoffe, bei denen lebende, aber abgeschwächte Erreger verwendet werden, sollten unter der Therapie und bis zu vier Wochen nach Beendigung von Siponimod vermieden werden.

Infektionen

Infektionen

Beim Auftreten von Infektionen, vor allem bei anhaltendem oder hohem Fieber, sollte ein Arzt aufgesucht werden, um eine Erregersuche zu starten und eine Therapie zu bestimmen. Grundsätzlich muss Siponimod beim Auftreten üblicher Infekte nicht abgesetzt werden. Bei schweren oder gehäuften Infekten ist im Einzelfall jedoch eine Unterbrechung der Behandlung mit Siponimod anzuraten.

Absetzen von Siponimod

Was passiert, wenn man Siponimod absetzt?

Sollte das Absetzen von Siponimod notwendig sein (Unwirksamkeit, Nebenwirkungen, Patientenwunsch), so ist zu beachten, dass es bei einzelnen Patienten zu einer Rückkehr von Krankheitsaktivität kommen könnte (‚Rebound‘). Dieses Phänomen kann mit erheblicher Krankheitsaktivität einhergehen und wurde bei einem anderen S1P-Rezeptor-Modulator (Fingolimod) beobachtet.

Alternativen zu Siponimod

Welche Alternativen gibt es zu Siponimod?

Siponimod ist nur eine von verschiedenen zugelassenen MS-Therapien. Es stehen mit Fingolimod, Ozanimod und Ponesimod weitere für die Multiple Sklerose zugelassene S1P-Rezeptor-Modulatoren zu Verfügung. Allerdings ist Siponimod das einzige Immuntherapeutikum, welches für die sekundär progrediente Multiple Sklerose mit nachgewiesener Krankheitsaktivität zugelassen ist.

Literatur

Veröffentlichungen

Kappos L et al. Siponimod versus placebo in secondary progressive multiple sclerosis (EXPAND): a double-blind, randomised, phase 3 study. The Lancet. 2018;391(10127):1263–73.
Zulassungsstudie EXPAND mit Placebo als Vergleich.

Fachinformation Siponimod:

zum Download (PDF)

KKNMS Qualitätshandbuch:

zum Qualitätshandbuch MS, NMOSD, MOGAD

Autoren

  • Prof. Dr. Vinzenz Fleischer

    Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

Weitere Informationen unter „Credits“.

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Hier können Sie das komplette Kapitel für Sich ausdrucken:

Autoren

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Wer hat das Handbuch erstellt?

Die vorliegenden Informationen wurden vom krankheitsbezogenen Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) in enger Abstimmung mit dem Fachausschuss Versorgungsstrukturen und Therapeutika und dem Vorstand des ärztlichen Beirats der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), Bundesverband e.V. erstellt sowie mit den Betroffenenvertretern und Vertretern des Bundesbeirats MS-Erkrankter der DMSG abgestimmt.

Die Pharmafirmen hatten Gelegenheit das Handbuch zu kommentieren.

Gibt es Interessenkonflikte der Autoren?

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Prof. Dr. Vinzenz Fleischer

Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz