Das Medikament
Kurzgefasst: Ofatumumab (Kesimpta®) ist ein Medikament zur Behandlung der aktiven schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (MS). Ofatumumab wird mit einer Fertigspritze oder einem Fertigpen einmal pro Monat (nach der anfänglichen Eindosierung) unter die Haut gespritzt („subkutane Injektion“) und kann vom Patienten ohne zusätzliche vorbereitende Maßnahmen selbst verabreicht werden. Ofatumumab reduziert die Häufigkeit von Krankheitsschüben, verzögert das Fortschreiten der Behinderung und reduziert neue Entzündungsherde (Läsionen) in der Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT). Als wichtigste Nebenwirkungen treten manchmal (insbesondere bei der ersten Gabe) systemische injektionsbedingte Reaktionen auf (das sind Symptome wie Juckreiz, Übelkeit, Müdigkeit und Schwindel). Auch Reaktionen an der Einstichstelle und Infektionen der Atemwege und des Harntraktes wurden häufiger beobachtet.
Was ist Ofatumumab (Kesimpta®)?
Ofatumumab ist ein monoklonaler Antikörper, der gegen die B-Lymphozyten, einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen, gerichtet ist. Diese Zellen spielen bei der Krankheitsentstehung der MS eine wichtige Rolle. Ofatumumab ist ein sogenannter voll-humaner monoklonaler Antikörper und ist dadurch in der Anwendung besonders verträglich.
Wie wirkt Ofatumumab (Kesimpta®)?
Die Gabe von Ofatumumab reduziert die Anzahl der B-Zellen im Blut („B-Zell-depletion“). Durch die Verringerung dieser wichtigen Immunzellen kann die Krankheitsaktivität der MS deutlich reduziert werden und dadurch der langfristige Krankheitsverlauf abgemildert werden.
Für wen ist Ofatumumab (Kesimpta®) zugelassen?
In der Europäischen Union ist Ofatumumab seit 2021 zur MS-Behandlung bei Erwachsenen zugelassen. Das Medikament soll bei Patienten mit schubförmig verlaufender MS (Relapsing Multiple Sclerosis, RMS) mit aktiver Erkrankung angewendet werden. Es können somit alle MS-Patienten behandelt werden, die Krankheitsschübe haben und / oder Aktivität in der Kernspintomografie („neue Entzündungsherde“) zeigen.
Wie wird Ofatumumab (Kesimpta®) verabreicht?
Eindosierung:
Zur anfänglichen Eindosierung wird Ofatumumab zunächst an den Tagen 1, 7 und 14 als Injektion unter die Haut („subkutane Injektion“) verabreicht. Dabei werden jeweils 20 mg Ofatumumab mithilfe eines sogenannten Fertigpens oder einer Fertigspritze gespritzt. Die einzelne Dosis eines Fertigpens bzw. einer Fertigspritze beträgt 20 mg Ofatumumab, die in 0,4 ml Flüssigkeit gelöst sind. Die erste Injektion sollte in einer Praxis oder Klinik von medizinischem Personal durchgeführt werden, um Anwendungsfehler zu vermeiden und Patienten anzuleiten. Außerdem treten nach Erstinjektion gehäuft systemische Injektionsreaktionen auf (das sind Symptome wie Juckreiz, Übelkeit, Müdigkeit und Schwindel). Die darauffolgenden Injektionen können dann selbst vorgenommen werden.
Monatliche Gabe:
Ab Woche 4 folgt die regelmäßige monatliche Injektion von 20 mg Ofatumumab mit dem Fertigpen oder der Fertigspritze.
Wirkung
Klinische Studien zur Wirksamkeit von Ofatumumab bei aktiver schubförmig verlaufender MS
Ofatumumab (Kesimpta®) wurde in zwei großen klinischen Studien (ASCLEPIOS I und ASCLEPIOS II) an insgesamt 1.882 Patienten mit schubförmig-remittierender und aktiver sekundär-progredienter MS getestet. Als Vergleichssubstanz wurde in den Zulassungsstudien kein Placebo („Scheinmedikament“) verwendet, sondern das bereits zugelassene MS-Medikament Teriflunomid (Aubagio®). Wie in den meisten anderen MS-Zulassungsstudien wurde die Wirkung von Ofatumumab (Kesimpta®) auf die Verhinderung klinischer Schübe, die Verhinderung des Fortschreitens der Behinderung und auf Läsionen in der Kernspintomografie untersucht.
Die teilnehmenden Patienten im Alter von 18 bis 55 Jahren hatten im Durchschnitt seit etwa 8 Jahren die Diagnose MS. Sie hatten als Hinweise auf eine aktive Erkrankung mindestens einen dokumentierten Schub im vorangegangenen Jahr oder zwei Schübe in den vorangegangenen zwei Jahren – alternativ war auch der Nachweis einer Kontrastmittel-anreichernden (frischen) Läsion in der Kernspintomografie als Zeichen der Krankheitsaktivität akzeptiert. Die in den Studien eingeschlossenen Patienten hatten einen EDSS-Wert zwischen 0 und 5,5. Der EDSS (Expanded Disability Status Scale) ist eine spezielle Skala, um den durch die MS-Erkrankung entstandenen Behinderungsgrad zu messen.
Wirkung auf die Verhinderung von Krankheitsschüben
Um die Verhinderung von Krankheitsschüben zu beurteilen, wurde in den Studien ASCLEPIOS I und II die Wirkung von Ofatumumab (Kesimpta®) auf die jährliche Schubrate untersucht. Die jährliche Schubrate zeigt, wie viele Schübe durchschnittlich pro Jahr pro Patient auftraten.
In der Studie ASCLEPIOS I lag die jährliche Schubrate in der Teriflunomid-Gruppe bei 0,22 gegenüber 0,11 in der Ofatumumab-Gruppe. In der Studie ASCLEPIOS II lag die jährliche Schubrate in der Teriflunomid-Gruppe bei 0,25 gegenüber 0,10 in der Ofatumumab-Gruppe. Verständlicher ausgedrückt: Die Patienten in der Teriflunomid-Gruppe haben im Durchschnitt alle 4 – 4,5 Jahre einen Schub, die Patienten in der Ofatumumab-Gruppe nur alle 9 – 10 Jahre.
Wenn man die Anzahl schubfreier Studienpatienten unter beiden Therapien vergleicht, dann sind unter Teriflunomid 59 von 100 Patienten schubfrei, verglichen mit 80 von 100 Patienten unter Ofatumumab:
- Entspricht einer relativen Risikoreduktion von: 51 %
- Entspricht einer absoluten Risikoreduktion von: 21 %
Wirkung auf die Verhinderung des Fortschreitens der Behinderung
Die Behinderungsprogression wird innerhalb einer klinischen MS-Studie gemessen, indem man untersucht, wie viel Prozent der Patienten einer Studiengruppe sich während der Studiendauer um einen EDSS-Punkt auf der Behinderungsskala verschlechtert haben (wobei diese Verschlechterung nach 3 Monaten nochmals bestätigt wird, um auch wirklich dauerhafte Veränderung zu bewerten).
Insgesamt zeigten 15 % der Patienten in der Teriflunomid-Gruppe eine Verschlechterung ihres Behinderungsgrades, verglichen mit 11% der mit Ofatumumab behandelten Patienten:
- Entspricht einer relativen Risikoreduktion von: 27 % = 100 – ([11 / 15] x 100)
- Entspricht einer absoluten Risikoreduktion von: 4 % = 15 – 11
Vereinfacht gesagt: Wenn man 100 aktive MS-Patienten mit Ofatumumab behandelt, erzielen im Vergleich zu Teriflunomid etwa 4 Patienten mehr eine Stabilität ihrer Multiplen Sklerose.
Wirkung auf die Ergebnisse der Kernspintomografie (MRT)
In der Kernspintomografie werden Kontrastmittelanreicherungen und sogenannte T2-Herde sichtbar, die als Ausdruck der Entzündung bei MS betrachtet werden. Dabei können Herde größer werden oder ganz neu auftreten.
Betrachtet man die Studiendaten zur Krankheitsaktivität in der Kernspintomografie, so konnte Ofatumumab verglichen mit Teriflunomid die Anzahl der Kontrastmittel-anreichernden Läsionen um 97,5 % (ASCLEPIOS I) bzw. 93,8 % (ASCLEPIOS II) reduzieren (relative Risikoreduktion). Ebenfalls konnte Ofatumumab verglichen mit Teriflunomid die Rate neuer oder sich vergrößernder Läsionen um 81,9 % (ASCLEPIOS I) bzw. 84,5 % (ASCLEPIOS II) reduzieren (relative Risikoreduktion).
Nebenwirkungen
Welche Nebenwirkungen hat Ofatumumab (Kesimpta®)?
Die wesentlichen Nebenwirkungen von Ofatumumab sind systemische, injektionsbezogene Reaktionen wie Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerz (Myalgie), Schüttelfrost und Müdigkeit, die vor allem bei den ersten Gaben auftreten. Außerdem kann es zu Reaktionen an der Injektionsstelle kommen. Auf Infektionen der oberen Atemwege und Harnwegsinfektionen sollte geachtet werden. Außerdem kann sich der Spiegel des Immunglobulin M (ein an der Immunabwehr beteiligtes Eiweiß) im Blut vermindern.
Die häufigsten Nebenwirkungen im direkten Vergleich
(≥ 10 % der Patienten in einer Behandlungsgruppe)