Kurzgefasst: Teriflunomid (Aubagio®, Teriflunomid-Generika diverser Anbieter) ist zugelassen für erwachsene Patienten und Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren mit schubförmig-remittierender MS. Teriflunomid wird als Filmtablette in einer Dosierung von 14 mg 1 x täglich oral eingenommen. Bei Kindern mit einem Gewicht bis 40 kg wird die Dosierung halbiert. Im Vergleich mit einer Scheinbehandlung (Placebo) reduziert Teriflunomid die Schubrate und das Läsionsvolumen entzündlicher Läsionen in der Kernspintomographie. Darüber hinaus kommt es bei Patienten, die mit Teriflunomid behandelt werden, weniger oft zu einer Zunahme der Behinderung. An wichtigen Nebenwirkungen treten Leberwerterhöhungen, sowie eine Reduktion der weißen Blutkörperchen auf. Das Blutbild und die Leberwerte sollten daher im ersten halben Jahr monatlich und danach alle 2 Monate kontrolliert werden. Zudem können gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit und Durchfall auftreten. Der bei einem Teil der Patienten beobachtete (telogene) Haarausfall stellt selten ein kosmetisches Problem dar. Unter der Therapie mit Teriflunomid kann es zu erhöhten Blutdruckwerten kommen, so dass diese halbjährlich kontrolliert werden sollten. Ohne besondere Maßnahmen ist Teriflunomid 8 Monate bis 2 Jahre nach Therapieende im Blut nachweisbar, es kann jedoch durch die Gabe von Colestyramin oder Aktivkohle in wenigen Tagen aus dem Körper entfernt werden.
Was ist Teriflunomid? Teriflunomid ist ein niedermolekulares entzündungshemmendes Medikament. Es ist das biologisch aktive Stoffwechselprodukt von Leflunomid, einem Medikament, das in der Rheumatologie seit fast 20 Jahren zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingesetzt wird.
Wie wirkt Teriflunomid? Teriflunomid hemmt das Enzym Dihydroorotatdehydrogenase (DHODH), das im Zellstoffwechsel aktiver und schnell wachsender weißer Blutkörperchen (Leukozyten) notwendig ist. Besonders stark wachstumshemmend wirkt es auf zwei Untergruppen der weißen Blutkörperchen, die T- und B-Lymphozyten. Andere Zellen werden dagegen von Teriflunomid wenig oder gar nicht in ihrem Stoffwechsel beeinträchtigt.
Für wen ist Teriflunomid zugelassen? In der Europäischen Union ist Teriflunomid für die Therapie der schubförmig-remittierenden MS bei erwachsenen Patienten und Kindern und Jugendlichen ab 10 Jahren zugelassen, und zwar sowohl als Ersttherapie nach Diagnosestellung als auch als Alternative zu einem der bisherigen Immuntherapeutika. Eine Kombinationstherapie mit anderen Immuntherapeutika ist nicht zugelassen.
Wie wird Teriflunomid eingenommen? Teriflunomid wird 1 x täglich unabhängig von den Mahlzeiten und der Tageszeit als Tablette oral eingenommen. Zugelassen ist eine Dosis von 1 x 14 mg. Bei Kindern wird die Dosierung an das Gewicht angepasst. Bei einem Gewicht > 40 kg werden ebenfalls 1 x 14 mg täglich gegeben, bei ≤ 40 kg werden 1 x 7 mg täglich gegeben.
Wirkung
Klinische Studien zur Wirksamkeit von Teriflunomid bei schubförmiger MS
Die Wirkung von Teriflunomid auf die Schubrate und die Zunahme der Behinderung wurde bei erwachsenen Patienten in zwei Zulassungsstudien (TEMSO und TOWER) geprüft und die Ergebnisse wurden 2011 bzw. 2014 veröffentlicht. 2021 wurden zusätzlich die Ergebnisse der Studien bei Kindern (TERIKIDS) veröffentlicht.
In TEMSO und TOWER wurden jeweils 2 unterschiedliche Teriflunomid-Dosierungen (7 mg oder 14 mg) mit Placebo verglichen. Insgesamt zeigten beide Studien eine signifikant größere Wirksamkeit gegenüber einer Placebo-Gabe. Die niedrigere Dosis (7 mg) war weniger wirksam in Bezug auf die Verhinderung von Behinderungen. Die Studien-Ergebnisse für die in der EU zugelassene höhere Dosierung von 14 mg Teriflunomid waren sich sehr ähnlich, so dass der folgende Überblick über die Studienergebnisse auf der zusammenfassenden Studienanalyse (Metaanalyse) der europäischen Zulassungsbehörden beruht.
Insgesamt wurden 2.257 erwachsene Patienten mit schubförmiger MS über einen Zeitraum von ca. 2 Jahren entweder mit Placebo oder Teriflunomid behandelt. Eingeschlossen wurden Patienten mit mindestens 2 Schüben in den letzten 2 Jahren oder mindestens 1 Schub im Jahr vor Studienbeginn. Zu Magnetresonanztomographie (MRT)-Untersuchungen liegen nur Daten aus der TEMSO-Studie vor, da in TOWER keine MRT-Untersuchungen durchgeführt wurden.
In der TERIKIDS Studie wurden 166 Kinder im Alter von 10 – 17 Jahren mit entweder Placebo (57 Kinder) oder Teriflunomid (109 Kinder) behandelt.
In einer weiteren Studie (TENERE) wurde Teriflunomid mit Interferon-beta 1a (Rebif® 44 μg) verglichen. Aufgrund des Studiendesigns, ist die Aussagekraft der Studie jedoch beschränkt. Ein Grund dafür ist u.a. die kurze Dauer der Studie. Teriflunomid scheint in der Wirksamkeit auf Schübe über 1 Jahr vergleichbar mit Rebif® zu sein.
Wirkung auf die Verhinderung von Krankheitsschüben
Im Folgenden wird erklärt, wie viele Patienten nach zwei Jahren Therapie mit Teriflunomid oder Einnahme von Placebo noch schubfrei waren (gepoolte Metaanalyse). Daraus kann man den absoluten Nutzen (absolute Risikoreduktion) und den relativen Nutzen (relative Risikoreduktion) berechnen.
Absoluter Nutzen: Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl der Patienten mit Schüben in der Teriflunomid-Gruppe (43 von 100 Patienten) von denen mit Schüben in der Placebo-Gruppe (54 von 100 Patienten) abzieht. Tatsächlich profitieren 54 – 43 = 11, also 11 von 100 Patienten von der Therapie.
Entspricht einer absoluten Risikoreduktion von: 11 %
Relativer Nutzen: Wird die Wirkung nur bezogen auf die Patienten mit Schüben dargestellt, haben in der Placebo-Gruppe 54 von 100 Patienten einen Schub und in der Teriflunomid-Gruppe sind es mit 43 von 100 Patienten 11 weniger. 11 von 54 sind in Prozent umgerechnet 20%.
Entspricht einer relativen Risikoreduktion von: 20 %
Wirkung auf die Anzahl der Schübe pro Jahr
Die jährliche Schubrate zeigt, wie viele Schübe durchschnittlich pro Jahr pro Patient auftraten. Sie lag in der Placebo-Gruppe bei 0,53 Schüben gegenüber 0,35 in der Teriflunomid-Gruppe (gepoolte Metaanalyse). Etwas verständlicher ausgedrückt: Die Patienten in der Placebo-Gruppe haben im Durchschnitt alle 2 Jahre einen Schub, die Patienten in der Teriflunomid-Gruppe nur alle 3 Jahre.
Wirkung auf die Verhinderung des Fortschreitens der Behinderung
Die Behinderungsprogression wird innerhalb einer klinischen MS-Studie gemessen, indem man untersucht, wie viel Prozent der Patienten einer Studiengruppe sich während der Studiendauer um einen EDSS-Punkt auf der Behinderungsskala verschlechtert haben (wobei diese Verschlechterung nach 3 Monaten nochmals bestätigt wird, um auch wirklich dauerhafte Veränderung zu bewerten). Im Folgenden wird erklärt, wie viele Patienten nach 2 Jahren Therapie mit Teriflunomid oder Einnahme von Placebo keine Zunahme der Behinderung hatten. Dargestellt sind wieder der absolute Nutzen (absolute Risikoreduktion) und der relative Nutzen (relative Risikoreduktion).
Absoluter Nutzen: Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl der Patienten mit einer Zunahme der Behinderung in der Teriflunomid-Gruppe (18 von 100 Patienten) von denen mit einer Zunahme der Behinderung in der Placebo-Gruppe (23 von 100 Patienten) abzieht. Tatsächlich profitieren 23 – 18 = 5, also 5 von 100 Patienten von der Therapie.
Entspricht einer absoluten Risikoreduktion von: 5 %
Relativer Nutzen: Wird die Wirkung nur bezogen auf die Patienten mit einer Zunahme der Behinderung dargestellt, haben in der Placebo-Gruppe 23 von 100 Patienten eine Zunahme der Behinderung und in der Teriflunomid-Gruppe sind es mit 18 von 100 Patienten 5 weniger. 5 von 23 sind in Prozent umgerechnet 22%.
Entspricht einer relativen Risikoreduktion von: 22 %
Wirkung auf die Ergebnisse der Kernspintomografie (MRT)
In der Kernspintomografie werden Kontrastmittelanreicherungen und sogenannte T2-Herde sichtbar, die als Ausdruck der Entzündung bei MS betrachtet werden. Dabei können Herde größer werden oder ganz neu auftreten.
In der TEMSO-Studie wurde nicht die Anzahl der T2-Herde berichtet, sondern die Veränderung des Volumens. Das heißt, es wurde berechnet, wie viel Raum die T2-Herde einnehmen. Dies wird in Millilitern (ml) angegeben. Hier zeigte sich in der Placebo-Gruppe innerhalb von 2 Jahren eine Volumenzunahme der T2-Herde von 1,67 ml gegenüber einer Zunahme von 0,39 ml in der Teriflunomid-Gruppe.
In der TERIKIDS-Studie zeigte sich in der Placebo-Gruppe eine höhere Anzahl an neuen T2-Herden sowie höhere Anzahl an kontrastmittelaufnehmenden Läsionen als in der Teriflunomid-Gruppe. Die relative Risikoreduktion betrug 55 bzw. 75%.
Klinisch isoliertes Syndrom (KIS)
Als KIS bezeichnet man ein erstmaliges demyelinisierendes Ereignis (z.B. Optikusneuritis, transverse Myelitis) das typisch für die Erstmanifestation einer MS ist, ohne das die Zusatzdiagnostik Hinweise auf eine zeitliche und/oder örtliche Dissemination ergeben hat. Im Fall von Teriflunomid wurde das Medikament in der TOPIC-Studie bei Patienten mit einem KIS über 2 Jahre mit Placebo verglichen. Dabei hatten über den Beobachtungszeitraum in der Placebo-Gruppe 28 % gegenüber 18% in der Teriflunomid-Gruppe ein zweites Schubereignis. Somit profitierten 10 von 100 Patienten mit einem KIS von der Therapie.
Nebenwirkungen
Welche Nebenwirkungen hat Teriflunomid?
In einer Zusammenfassung der Sicherheits- und Verträglichkeitsdaten aus vier Teriflunomid-Zulassungsstudien (Comi et al., 2016), mit 3044 Patienten die entweder 14 mg Teriflunomid, 7 mg Teriflunomid oder Placebo erhalten haben, werden folgende Nebenwirkungen aufgezeigt:
Leberwerterhöhungen
gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit und Durchfall
Haarverlust bzw. Ausdünnung des Haarwuchses durch ein frühzeitiges Eintreten der Haarzellen in die telogene Phase = telogener Haarverlust
Reduktion der weißen Blutkörperchen
Blutdruckerhöhung
periphere Neuropathien, z.B. Karpal-Tunnel-Syndrom
Erhöhung der Enzyme der Bauchspeicheldrüse/Pankreatitis (insbesondere bei Kindern)
Die häufigsten Nebenwirkungen im direkten Vergleich (Nebenwirkungen bei ≥ 10 % der Patienten in einer Teriflunomidgruppe und mit einer Inzidenz von ≥ 2% im Vergleich zur Placebogruppe)
Placebo
Teriflunomid 7 mg
Teriflunomid 14 mg
Haarausfall
Durchfall
Übelkeit
Leberwerterhöhungen
Kopfschmerzen
Anteil Studienpatienten
Quelle: Comi et al., 2016
Grundsätzlich ist wichtig zu wissen, dass Nebenwirkungen in Studien nicht nur bei den Patienten auftreten, die das Medikament erhalten, sondern auch in der Studiengruppe mit einem bekannten Medikament oder Placebo.
Leberwerterhöhungen
Leberwerterhöhungen
Leberwerte wurden in den Studien kontinuierlich kontrolliert. In den Teriflunomidgruppen wurden stärkere Leberwerterhöhungen als in der Placebogruppe gemessen. Diese traten zumeist in den ersten 6 Behandlungsmonaten auf, waren von leichter bis mittelschwerer Natur und bei der Mehrheit der Patienten normalisierten sich die Werte wieder.
Gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit und Durchfall
Gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit und Durchfall
Übelkeit und Durchfall wurden in den Teriflunomidgruppen häufiger beobachtet als in der Placebogruppe und traten am häufigsten innerhalb der ersten 3 Behandlungsmonate auf.
(Telogener) Haarausfall
(Telogener) Haarausfall
Haarausfall bzw. eine verringerte Haardichte durch ein frühzeitiges Eintreten der Haarzellen in die telogene Phase (telogener Haarverlust) trat am häufigsten innerhalb der ersten 6 Therapiemonate auf. In der Regel besserte sich die Haardichte im Verlauf der Therapie wieder.
Reduktion der weißen Blutkörperchen
Reduktion der weißen Blutkörperchen
Eine Erniedrigung der Anzahl der Neutrophilen konnte in den ersten 6 Wochen der Behandlung beobachtet werden, eine Erniedrigung der Anzahl der Lymphozyten in den ersten 3 Monaten der Behandlung. Im Verlauf der Therapie stabilisierten sich die Werte wieder.
Blutdruckerhöhung
Blutdruckerhöhung
Eine Erhöhung des Blutdrucks wurde in den Teriflunomidgruppen häufiger beobachtet als in der Placebogruppe, insbesondere war das Risiko größer für Patienten mit einer bereits vor Therapie bestehenden Blutdruckerhöhung.
Periphere Neuropathien, z.B. Karpal-Tunnel-Syndrom
Periphere Neuropathien, z.B. Karpal-Tunnel-Syndrom
Die Anzahl der Fälle von peripheren Neuropathien, z.B. Karpal-Tunnel-Syndrom, war in den Teriflunomidgruppen leicht erhöht.
Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle
Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle
Durch Teriflunomid bedingte schwere Nebenwirkungen und Todesfälle traten in den Studien nicht gehäuft auf.
Krebserkrankungen
Krebserkrankungen
In der Placebo-Gruppe traten zwei Fälle von Brustkrebs, ein Schilddrüsenkrebs und ein Gebärmutterhalskrebs auf. Unter Teriflunomid (14 mg) wurde ein Fall eines Gebärmutterhalskrebses im Frühstadium dokumentiert. Insgesamt traten Krebserkrankungen bei Teriflunomid-Einnahme also nicht vermehrt auf. Dennoch ist zu beachten, dass alle Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen, das Krebsrisiko erhöhen können. Dies kann aber nur in Langzeitstudien geklärt werden.
Infektionen
Infektionen
Infekte traten bei der Therapie mit Teriflunomid nicht gehäuft auf. Dennoch ist zu beachten, dass alle Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen, das Infektionsrisiko erhöhen können. Auch dies kann nur in Langzeitstudien geklärt werden.
Wechselwirkungen
Wechselwirkungen
Teriflunomid wird über Enzyme abgebaut, die auch für die Verstoffwechselung von anderen Medikamenten, die in der Neurologie und Inneren Medizin häufiger verwendet werden, von relevanter Bedeutung sind. Daher kann es passieren, dass sich die Verstoffwechselung der Medikamente gegenseitig beeinflusst. D.h., der Organismus (v.a. die Leber) baut einige Substanzen schneller oder langsamer ab als andere. Wenn Sie neben Teriflunomid noch andere Medikamente einnehmen, sprechen Sie bitte Ihren Arzt auf dieses Thema an und fragen ihn, ob Wechselwirkungen zwischen Ihren Präparaten zu erwarten sind.
Einnahme
Wann sollte Teriflunomid nicht eingenommen werden?
Teriflunomid sollte nicht eingenommen werden bei
einer schweren Leberfunktionsstörung sowie akuter Leberentzündung (Hepatitis) oder einem schweren Eiweißmangel (Hypoproteinämie) z.B. auch bei starkem Untergewicht.
Vorliegen einer schweren aktiven Infektion.
einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff.
Chronischen Infektionen wie z.B. Hepatitis B und C oder Tuberkulose.
einer Immunschwäche (inkl. HIV-Infektion).
einer schweren dialysepflichtigen Einschränkung der Nierenfunktion.
einer schweren Erkrankung der Haut (Stevens-Johnson-Syndrom, Erythema multiforme oder toxische epidermale Nekrolyse).
Schwangerschaft oder Stillzeit.
schwerer Hypoproteinämie, z.N. beim nephrotischen Syndrom.
schweren Problemen mit Ihrem Knochenmark, niedriger Anzahl an roten oder weißen Blutkörperchen oder wenn die Anzahl an Blutplättchen vermindert ist.
Vor Therapiebeginn
Worauf ist bei Therapiebeginn mit Teriflunomid zu achten?
Aufklärungsgespräch: Vor der Entscheidung für eine Behandlung werden in einem ausführlichen Arzt-Patienten-Gespräch der Nutzen und die Risiken der Teriflunomid-Therapie erläutert. Es muss genügend Zeit für den Informationsaustausch und die Entscheidungsfindung gegeben sein. Alle offenen Fragen sollten besprochen werden. Patienten müssen vor Behandlungsbeginn schriftlich in die Behandlung einwilligen.
Vorerkrankungen: Vor der Behandlung mit Teriflunomid wird ein ausführliches Gespräch über Vorerkrankungen geführt und eine klinische Untersuchung vorgenommen. Außerdem erfolgt eine Routineblutuntersuchung, auch um bestimmte Vorerkrankungen auszuschließen.
Impfungen: Grundsätzlich können Impfungen mit Totimpfstoffen (die meisten Indikationsimpfungen werden mit Totimpfstoffen vorgenommen) auch unter Therapie mit Teriflunomid gegeben werden. In den meisten Fällen wird auch ein ausreichender Impferfolg erzielt werden. Dennoch ist es ratsam alle notwendigen Impfungen bereits vor Beginn einer Immuntherapie zu vervollständigen.
Kernspintomografie (MRT): Vor Beginn einer Therapie mit Teriflunomid soll eine aktuelle (nicht älter als 3 Monate) MRT-Aufnahme Ihres Kopfes gemacht werden, um den Therapieverlauf im Weiteren beurteilen zu können. Auch aus Sicherheitsaspekten empfiehlt sich vor dem Beginn einer neuen Immuntherapie immer eine MRT-Kontrolle.
Vortherapien: Falls Sie zuvor bereits eine Therapie erhalten haben, die das Immunsystem beeinflusst oder hemmt, müssen Sicherheitsabstände eingehalten werden. Diese richten sich nach der Wirkdauer der Medikamente. Grundsätzlich sollte sich das Blutbild nach Absetzen einer Vortherapie wieder normalisiert haben. Eine Kurzzeitbehandlung mit Kortikosteroiden (Kortison), z.B. zur Schubtherapie, ist auch während der Behandlung möglich. Sicherheitsabstände vor Therapie mit Teriflunomid: Bei einem Wechsel von einem Interferonpräparat oder Glatirameracetat ist keine Therapiepause erforderlich, sofern keine Laborauffälligkeiten bestehen. Der Sicherheitsabstand beträgt nach Absetzen von Fingolimod oder Ozanimod mindestens vier Wochen, nach Siponimod oder Ponesimod ein bis zwei Wochen, nach Absetzen von Natalizumab bzw. dem Natalizumab-Biosimilar mindestens sechs bis acht Wochen, nach Azathioprin, Methotrexat oder Mitoxantron mindestens drei Monate, nach Absetzen von Cladribin mindestens sechs Monate und nach Absetzen von Ocrelizumab, Ofatumumab, Rituximab, Ublituximab und Alemtuzumab mindestens sechs bis zwölf Monate.
Was muss vor der Therapie mit Teriflunomid kontrolliert werden?
Wir empfehlen die folgenden Kontrolluntersuchungen vor der Teriflunomid-Therapie:
Untersuchung
Wann
Dokumentierte Aufklärung über Therapie und Risiken
vor Therapiebeginn
Anamnese und klinische Untersuchung
vor Therapiebeginn
Blutbild und Differenzialblutbild
vor Therapiebeginn
Bestimmung von Pankreaswerten (Lipase, Amylase), Gesamtprotein und Kreatinin
vor Therapiebeginn
Urinuntersuchung, CRP-Wert, Infektionssuche
vor Therapiebeginn, um Entzündungen auszuschließen
Ermittlung von Hepatits-B und -C-Antikörpern, Tuberkulose-Test, HIV-Test
vor Therapiebeginn
Schwangerschaftstest für gebärfähige Patientinnen
vor Therapiebeginn, um eine Schwangerschaft auszuschließen
Blutdruckwerte
vor Therapiebeginn
Kernspintomografie des Kopfes
vor Therapiebeginn, um einen Ausgangsbefund zu erstellen
Während der Therapie
Was muss bei der Therapie mit Teriflunomid kontrolliert werden?
Wir empfehlen die folgenden Kontrolluntersuchungen während der Teriflunomid-Therapie:
Untersuchung
Wann/Häufigkeit
klinisch-neurologische Untersuchung
alle 3 Monate im ersten Therapiejahr, nach 1 Jahr alle 6 Monate
Großes Blutbild
alle 2 Monate in den ersten 6 Monaten, danach zwingend alle 3 Monate
Leber- und Nierenfunktionswerte
alle 4 Wochen (bei vorbestehender Lebererkrankung alle 2 Wochen) in den ersten 6 Monaten, danach zwingend alle 2 Monate
Kernspintomografie des Kopfes
einmal im Jahr
Blutdruckwerte
alle 6 Monate zwingend
Lungenuntersuchung
bei Bedarf
Patienten, deren Lymphozytenzahlen während der Teriflunomid-Behandlung unter einen Grenzwert von 200 Zellen/μl sinken, müssen die Therapie beenden.
In den ersten 6 Monaten der Teriflunomid-Einnahme müssen die Leberwerte alle 4 Wochen bestimmt werden. Waren diese unauffällig, können die Kontrollen ab dem 6. Monat alle 2 Monate erfolgen. Für den gesamten Zeitraum der Therapie gilt, dass bei einem leichten Anstieg der Leberenzymwerte bis auf maximal das 2-fache des oberen Normwertes eine nächste Kontrolle in 2 Wochen erfolgen muss, bei einem Anstieg über das 2-fache des oberen Normwertes müssen die Werte mindestens 1 x wöchentlich kontrolliert werden. Liegt der Wert für die Leberenzyme wiederholt über dem 3-fachen des oberen Normwertes, muss Teriflunomid abgesetzt werden.
Kontrolle des Blutdrucks Während der Einnahme von Teriflunomid sollte mindestens halbjährlich der Blutdruck kontrolliert werden, unabhängig davon, ob ein Bluthochdruck bereits bekannt ist und ggf. auch schon behandelt wird. Abhängig von den Messwerten wird der Beginn oder eine Anpassung der Behandlung des Bluthochdrucks empfohlen.
Wechselwirkungen Teriflunomid wird über Enzyme abgebaut, die auch für die Entgiftung anderer Medikamente und Hormone von relevanter Bedeutung sind. Dadurch besteht die Möglichkeit einer Wechselwirkung mit der Gefahr einer Konzentrationsänderung bestimmter Medikamente.
Wie lange wird behandelt? Teriflunomid wird als Dauertherapie eingesetzt. Nutzen und Risiko der Einnahme müssen laufend überprüft werden. Ein Abschätzen des Nutzens ist oft frühestens nach einem Jahr möglich. Als Hinweise für eine Wirksamkeit werden allgemeine Schubfreiheit und das Fehlen neuer Herde in der MRT angesehen.
Häufige Fragen
Schwangerschaft und Stillzeit
Schwangerschaft und Stillzeit
Obwohl Teriflunomid in Tierversuchen teratogen war, lag die Prävalenz großer Fehlbildungen nur bei circa 3% der exponierten Schwangerschaften, was einem natürlich vorkommenden Risiko entspricht.
Unterschiede in der Enzymkinetik könnten der Grund sein, warum die Plasmaexposition von Teriflunomid eine teratogene Wirkung auf Ratten, aber bisher nicht auf Menschen hatte. Diese Befunde erlauben keine vollständige abschließende Beurteilung des teratogenen Risikos von Teriflunomid. Die Fallzahl exponierter Schwangerschaften ist jedoch so groß, dass nicht automatisch zu einem Schwangerschaftsabbruch geraten werden muss. Dennoch gilt folgendes:
Bei Therapiebeginn sollte ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen.
Unter der Therapie sind effektive kontrazeptive Maßnahmen (Anwendung einer zuverlässigen Verhütungsmethode) notwendig.
Bei Kinderwunsch ist Teriflunomid abzusetzen, es sollte ein beschleunigtes Eliminationsverfahren mit Plasmaspiegelkontrolle durchgeführt werden.
Wird eine Frau ungeplant unter Teriflunomid schwanger, sollte umgehend eine beschleunigte Elimination mit Colestyramin durchgeführt werden und der Plasmaspiegel kontrolliert werden.
Das Risiko einer über den Mann vermittelten embryofetalen Toxizität aufgrund einer Teriflunomid-Behandlung gilt als niedrig. Die geschätzte Plasmaexposition der Frau über das Sperma eines behandelten Patienten ist schätzungsweise 100-mal niedriger als die Plasmaexposition nach einer oralen Dosis von 14 mg Teriflunomid.
Unter Teriflunomid darf nicht gestillt werden, da es sich um ein kleines Molekül mit hoher oraler Bioverfügbarkeit handelt und dieses daher sehr gut in die Muttermilch übertreten kann.
Während des Auswaschverfahrens kann die Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva herabgesetzt sein.
Impfungen
Impfungen
Bisher sind keine negativen Effekte auf Impferfolge bekannt. Einige Daten sprechen dafür, dass Standardimpfungen unter Teriflunomid wirksam bleiben (z.B. Grippeimpfung). Sogenannte Lebendimpfstoffe, bei denen lebendige, aber unschädlich gemachte Erreger verwendet werden, müssen möglichst vermieden werden.
Infektionen
Infektionen
Grundsätzlich muss Teriflunomid beim Auftreten üblicher Infekte nicht abgesetzt werden. Bei schweren oder gehäuften Infekten muss im Einzelfall jedoch ein Absetzen und ggf. eine rasche Auswaschung erwogen werden.
Rasche Auswaschung von Teriflunomid
Rasche Auswaschung von Teriflunomid
Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten, Teriflunomid schnell aus dem Körper zu entfernen:
Möglichkeit 1: Einnahme von 8 g Colestyramin 3 x täglich (alle 8 Stunden) für insgesamt 11 Tage. Aus Verträglichkeitsgründen kann die Colestyramindosis auf 4 g, 3 x täglich verringert werden.
Möglichkeit 2: Einnahme von 50 g Aktivkohle 2 x täglich (alle 12 Stunden) für insgesamt 11 Tage. Dabei muss das Auswaschen nicht zwingend an aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt werden. Ggf. kann zur Überprüfung der erfolgreichen Entfernung eine Bestimmung von Teriflunomid im Blut erfolgen.
Alternativen zu Teriflunomid
Welche Alternativen gibt es zu Teriflunomid?
Teriflunomid ist nur eine von verschiedenen zugelassenen Therapien der schubförmigen MS. Aufgrund seiner Wirksamkeit in klinischen Studie empfiehlt das KKNMS die Anwendung von Teriflunomid bei milder/moderater Krankheitsaktivität. Dementsprechend stellen die Interferon-beta Präparate, Glatirameracetat und Dimethylfumarat/Diroximelfumarat innerhalb der Wirksamkeitskategorie von Teriflunomid mögliche Alternative dar.
Literatur
Veröffentlichungen:
TEMSO: O’Connor P et al. Randomized Trial of Oral Teriflunomide for Relapsing Multiple Sclerosis. N Engl J Med. 2011 Oct 6;365(14):1293-303. Zulassungsstudie mit 2 Dosierungen Teriflunomid und Placebo als Vergleich.
TOWER: Confavreux C et al. Oral teriflunomide for patients with relapsing multiple sclerosis: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Neurol. 2014 Mar;13(3):247-56. Zulassungsstudie mit 2 Dosierungen Teriflunomid und Placebo als Vergleich.
TENERE: Vermersch P et al. Teriflunomide versus subcutaneous interferon beta-1a in patients with relapsing multiple sclerosis: a randomised, controlled phase 3 trial. Mult Scler. 2014 May;20(6):705-16. Zulassungsstudie mit 2 Dosierungen Teriflunomid und Interferon-beta 1a als Vergleich.
TERIKIDS: Chitnis T, et al. Safety and efficacy of teriflunomide in paediatric multiple sclerosis (TERIKIDS): a multicentre, double-blind, phase 3, randomised, placebo-controlled trial. Lancet Neurol. 2021 Dec;20(12):1001-1011 Zulassungsstudie mit Kindern zwischen 10-17 Jahren und Placebo als Vergleich.
TOPIC: Miller AE et al. Oral teriflunomide for patients with a first clinical episode suggestive of multiple sclerosis (TOPIC): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Neurol. 2014 Oct;13(10):977-86. Studie mit 2 Dosierungen Teriflunomid bei klinisch isoliertem Syndrom / Erstmanifestation.
Kieseier BC, Benamor M. Pregnancy Outcomes Following Maternal and Paternal Exposure to Teriflunomide During Treatment for Relapsing-Remitting Multiple Sclerosis. Neurol Ther. 2014;3:133-38. Bericht über die in klinischen Studien dokumentierte Schwangerschaftskohorte mit Teriflunomid-Exposition.
Comi G, Freedman MS, Kappos L, et al. Pooled safety and tolerability data from four placebo-controlled teriflunomide studies and extensions. Multiple sclerosis and related disorders 2016; 5:97-104. Zusammenfassung der Sicherheits- und Verträglichkeitsdaten aus den Zulassungs- und Verlängerungsstudien zu Teriflunomid.
Prof. Dr. Christoph Heesen und seine Mitarbeiterinnen Dr. med. Insa Schiffmann, Anne Schneider, Cand. Med., Dr. med. Klarissa Stürner und Marie Toussaint, Cand. Med.
INIMS, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Prof. Dr. Uwe K. Zettl
Sektion Neuroimmunologie, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Rostock
Reviewer der Online-Version:
Prof. Dr. Heinz Wiendl und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Dr. Nora Bünger, Dr. Jan Grosch und Dr. Catharina Korsukewitz
Klinik für Neurologie mit Institut für Translationale Neurologie, Universitätsklinikum Münster
Prof. Dr. Christoph Heesen und seine Mitarbeiterinnen Dr. med. Insa Schiffmann, Anne Schneider, Cand. Med., Dr. med. Klarissa Stürner und Marie Toussaint, Cand. Med.
INIMS, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Prof. Dr. Uwe K. Zettl
Sektion Neuroimmunologie, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Rostock