Kurzgefasst: Fingolimod (Gilenya®, Generika) ist in Deutschland seit 2011 in einer Dosis von 0,5 mg pro Tag für Erwachsene zugelassen. Für Kinder ab 10 Jahren folgte die Zulassung im Jahr 2018. Hier richtet sich die Dosis nach dem Körpergewicht: bis 40 kg Körpergewicht beträgt sie 0,25 mg, über 40 kg Körpergewicht 0,5 mg. Das Medikament wird täglich als Kapsel eingenommen.
Fingolimod reduziert die Schubrate und verhindert bei einem Teil der Patienten die Zunahme der Behinderung. Häufige Nebenwirkungen des Medikaments sind eine Verminderung der Herzfrequenz in den ersten Stunden nach Einnahme, sowie – aufgrund der Wirkweise des Medikaments (siehe unten) – eine Verminderung der Anzahl weißer Blutkörperchen. Darüber hinaus werden Erhöhungen der Leberwerte beobachtet. Seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen sind Infektionserkrankungen und eine Veränderung des Augenhintergrunds. Zur Überwachung müssen regelmäßige Blutkontrollen erfolgen und bei vorliegendem Risiko oder entsprechenden Beschwerden spezielle Untersuchungen veranlasst werden.
Was ist ist Fingolimod? Fingolimod ist eine künstlich hergestellte chemische Verbindung, die dem Myriocin ähnelt. Myriocin ist ein Stoffwechselprodukt aus einem Pilz, das eine hemmende Wirkung auf das Immunsystem hat.
Wie wirkt Fingolimod? Fingolimod setzt sich an die Bindungsstelle des sogenannten Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptors, der sich in vielen Geweben des Körpers befindet. Bei der MS entfaltet Fingolimod seine Wirkung in erster Linie über das Immunsystem. Durch das Medikament werden Lymphozyten daran gehindert, aus den Lymphknoten zurück ins Blut überzutreten. Dadurch gelangen weniger Lymphozyten in die Zirkulation und damit auch in das Nervensystem, das dadurch weniger geschädigt wird. Fingolimod führt also zu einer Umverteilung (und nicht zu einer Zerstörung) von Lymphozyten. Die Bestimmung von Lymphozyten im peripheren Blut ist daher unzuverlässig und die Verringerung der Lymphozyten (Lymphopenie) ist nicht mit anderen Situationen vergleichbar. Die Wirkung von Fingolimod ist umkehrbar (reversibel), d. h. nach dem Absetzen des Medikaments können die in Lymphknoten zurückgehaltenen Lymphozyten wieder in das Blut übertreten und das Blutbild normalisiert sich.
Für wen ist Fingolimodzugelassen? Fingolimod ist seit 2011 von der europäischen Zulassungsbehörde (EMA) zur Behandlung der (hoch)aktiven schubförmig-remittierend verlaufenden Multiplen Sklerose von erwachsenen Patienten zugelassen. Die Zulassung für Kinder und Jugendliche ab einem Alter von 10 Jahren erfolgte 2018. Es wird zur Therapie empfohlen, wenn die Patienten trotz angemessener Behandlung mit einem anderen MS-Medikament weiterhin Krankheitsaktivität aufweisen, oder wenn sie unter einer schweren schubförmigen Multiplen Sklerose leiden. Eine schwere MS ist definiert durch das Auftreten von 2 oder mehr Schüben in einem Jahr. Zusätzlich sollten in der Magnetresonanztomographie (MRT) eine oder mehr kontrastmittelanreichernde Läsionen nachweisbar sein oder mehr Läsionen als in den Voraufnahmen gefunden werden.
Wie wird Fingolimod eingenommen? Fingolimod wird 1x täglich als Kapsel eingenommen.
Wird die Einnahme vergessen, ist die Behandlung mit der nächsten Dosis wie geplant fortzusetzen. Genau wie bei Therapiebeginn wird eine Überwachung für die ersten 6 Stunden empfohlen, wenn die Therapie unterbrochen wird für:
1 Tag oder mehrere Tage während der ersten 2 Behandlungswochen.
mehr als 7 Tage während der 3. und 4. Behandlungswoche.
mehr als 2 Wochen nach einem Behandlungsmonat.
Wirkung
Klinische Studien zur Wirksamkeit von Fingolimod bei schubförmiger MS
Die Wirkung von Fingolimod auf die Schubrate und die Zunahme der Behinderung wurde in den Zulassungsstudien (FREEDOMS 1 und FREEDOMS 2) geprüft und 2010 und 2014 veröffentlicht. Im Folgenden werden, wenn möglich, die zusammengefassten Ergebnisse beider Studien dargestellt, die sich auf die Anwendung bei Erwachsenen beziehen.
Insgesamt wurden bei FREEDOMS 1 und FREEDOMS 2 2.355 Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose über einen Zeitraum von 2 Jahren untersucht. Eingeschlossen wurden Patienten, die in dem Jahr vor Studienbeginn mindestens einen Schub hatten oder in den 2 Jahren vor Studienbeginn mindestens 2 Schübe. Die Patienten hatten einen EDSS-Wert zwischen 0 und 5,5.
FREEDOMS 1 In der FREEDOMS-Studie von Kappos et al. 2010, wurden 1.272 Patienten zwischen 18 und 55 Jahren mit schubförmiger MS behandelt. Sie wurden zufällig in 3 Gruppen aufgeteilt und bekamen täglich 0,5 mg Fingolimod, 1,25 mg Fingolimod oder ein Placebo. Beobachtet wurden die jährliche Schubrate, die Zeit bis zum ersten Schub, die Zunahme der Behinderung und Nebenwirkungen.
FREEDOMS 2 FREEDOMS 2 wurde von Calabresi et al. 2014 veröffentlicht. Hier wurden 1.083 Patienten mit schubförmiger MS behandelt. Sie erhielten über eine Studiendauer von 2 Jahre täglich entweder 0,5 mg Fingolimod, 1,25 mg Fingolimod oder ein Placebo. Die Gruppe mit 1,25 mg Fingolimod wurde im Verlauf der Studie auf eine Dosis von 0,5 mg Fingolimod gesetzt, da die höhere Dosis in FREEDOMS 1 keinen zusätzlichen Nutzen gezeigt hatte. Untersucht wurde unter anderem die jährliche Schubrate, die Zunahme der Behinderung und die Schubfreiheit.
Wirkung auf die Verhinderung von Krankheitsschüben
Im Folgenden wird erklärt, wie viele Patienten nach 2 Jahren Therapie mit Fingolimod oder Einnahme von Placebo noch schubfrei waren. Daraus kann man den absoluten Nutzen (absolute Risikoreduktion) und den relativen Nutzen (relative Risikoreduktion) berechnen.
Absoluter Nutzen: Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl der Patienten mit Schüben in der Fingolimod-Gruppe (29 von 100 Patienten) von denen mit Schüben in der Placebo-Gruppe (51 von 100 Patienten) abzieht. Tatsächlich profitieren 51-29=22, also 22 von 100 Patienten von der Therapie.
Entspricht einer absoluten Risikoreduktion von: 22 %
Relativer Nutzen: Wird die Wirkung nur bezogen auf die Patienten mit Schüben dargestellt, haben in der Placebo-Gruppe 51 von 100 Patienten einen Schub und in der Fingolimod-Gruppe sind es mit 29 von 100 Patienten 22 weniger. 22 von 51 sind in Prozent umgerechnet 43%.
Entspricht einer relativen Risikoreduktion von: 43 %
Wirkung auf die Anzahl der Schübe pro Jahr
Die jährliche Schubrate zeigt, wie viele Schübe durchschnittlich pro Jahr pro Patient auftraten. In der FREEDOMS 1-Studie lag sie in der Placebo-Gruppe bei 0,4 Schüben gegenüber 0,18 in der Fingolimod-Gruppe (FREEDOMS 2: 0,4 und 0,2). Etwas verständlicher ausgedrückt: Die Patienten in der Placebo-Gruppe haben im Durchschnitt circa alle 2,5 Jahre einen Schub, die Patienten in der Fingolimod-Gruppe nur circa alle 5 Jahre.
Wirkung auf die Verhinderung des Fortschreitens der Behinderung
Die Behinderungsprogression wird innerhalb einer klinischen MS-Studie gemessen, indem man untersucht, wie viel Prozent der Patienten einer Studiengruppe sich während der Studiendauer um einen EDSS-Punkt auf der Behinderungsskala verschlechtert haben (wobei diese Verschlechterung nach 3 Monaten nochmals bestätigt wird, um auch wirklich dauerhafte Veränderung zu bewerten).
Im Folgenden wird erklärt, wie viele Patienten nach 2 Jahren Therapie mit Fingolimod oder Einnahme von Placebo keine Zunahme der Behinderung hatten. Dargestellt sind wieder der absolute Nutzen (absolute Risikoreduktion) und der relative Nutzen (relative Risikoreduktion).
Absoluter Nutzen: Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl der Patienten mit einer Zunahme der Behinderung in der Fingolimod-Gruppe (21 von 100 Patienten) von denen mit einer Zunahme der Behinderung in der Placebo-Gruppe (27 von 100 Patienten) abzieht. Tatsächlich profitieren 27-21=6, also 6 von 100 Patienten von der Therapie.
Entspricht einer absoluten Risikoreduktion von: 6 %
Relativer Nutzen: Wird die Wirkung nur bezogen auf die Patienten mit einer Zunahme der Behinderung dargestellt, haben in der Placebo-Gruppe 27 von 100 Patienten eine Zunahme der Behinderung und in der Fingolimod-Gruppe sind es mit 21 von 100 Patienten 6 weniger. 6 von 27 sind in Prozent umgerechnet 22 %.
Entspricht einer relativenRisikoreduktion von: 22 %
Wirkung auf die Ergebnisse der Kernspintomografie (MRT)
In der Kernspintomografie werden Kontrastmittelanreicherungen und sogenannte T2-Herde sichtbar, die als Ausdruck der Entzündung bei MS betrachtet werden. Dabei können Herde größer werden oder ganz neu auftreten.
23 % der Patienten in der Placebo-Gruppe und 50 % der Patienten in der Fingolimod-Gruppe blieben über die Studiendauer frei von neuen oder vergrößerten T2-Herden.
65 % der Patienten in der Placebo-Gruppe und 89 % in der Fingolimod-Gruppe hatten über die Studiendauer keine Herde mit Kontrastmittelanreicherungen.
Daten zur Wirksamkeit von Fingolimod bei Kindern und Jugendlichen in der Zulassungsstudie PARADIGMS:
In der PARADIGMS Studie wurden 215 Patienten mit Fingolimod (0,5 mg / täglich, oder 0,25 mg / täglich bei einem Körpergewicht unter 40kg) oder Interferon-beta 1a (Avonex®) 30 µg / Woche behandelt. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von 10 bis 18 Jahren mit einem Schub im Jahr zuvor, 2 Schüben in 2 Jahren vor Studienbeginn oder mindestens einer kontrastmittelanreichernden Läsion im MRT und einem EDSS von 0 bis 5,5. Alle Patienten erhielten sowohl Spritzen als auch Tabletten und wussten genauso wie die Ärzte nicht, welche Therapie sie bekommen.
86 von 100 Patienten waren nach 2 Jahren unter Fingolimod schubfrei und 39 von 100 unter Interferon-beta 1a. Dies entspricht einer absoluten Risikoreduktion von 47 %. Auch die wichtigen sekundären Endpunkte neue MRT Läsionen und Behinderungsprogression konnten signifikant durch die Gabe von Fingolimod reduziert werden.
Nebenwirkungen
Welche Nebenwirkungen hat Fingolimod?
Dargestellt werden im Folgenden die Daten aus den beiden Zulassungsstudien FREEDOMS 1 und 2 bei Erwachsenen.
Die Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen finden sich weiter unten aufgelistet.
Einer Metaanalyse aus beiden Studien zufolge traten Nebenwirkungen in der Fingolimod-Gruppe und in der Placebo-Gruppe etwa gleichhäufig auf (Fingolimod 751 von 783 der Patienten, 96 % vs. Placebo 730 von 773 der Patienten, 94 %). Allerdings kam es in der Fingolimodgruppe signifikant häufiger zu einem Behandlungsabbruch aufgrund von Nebenwirkungen (Fingolimod 13 % vs. Placebo 9 %).
Die Darstellung der Nebenwirkungen folgt der zusammenfassenden Analyse beider Zulassungsstudien mit Bezug auf die zugelassene Dosis von 0,5 mg. Auffällige Befunde der Einzelstudien, aber auch auffällige Nebenwirkungen unter den nicht zugelassenen 1,25 mg werden zusätzlich berichtet.
Die häufigsten Nebenwirkungen im direkten Vergleich
Placebo
Fingolimod
Basaliom
Herzrhythmusstörungen
Bluthochdruck
Lymphopenie
Influenza (Grippe)
Leberwerterhöhung
Anteil Studienpatienten
Quelle: Metaanalyse aus FREEDOMS 1 und 2
Grundsätzlich ist wichtig zu wissen, dass Nebenwirkungen in Studien nicht nur bei den Patienten auftreten, die ein neues Medikament erhalten, sondern auch in der Studiengruppe mit einem bekannten Medikament oder Placebo.
Influenza
Influenza
Eine Influenza ist eine akute Infektion der Atemwege, die sogenannte echte Grippe, die durch einen bestimmten Virus (Influenza-Virus) ausgelöst wird. Beschwerden sind oft Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit und trockener Husten. Influenza trat in den einzelnen Zulassungsstudien nicht signifikant gehäuft auf, bei den zusammengefassten Zahlen tritt eine Influenza Erkrankung aber signifikant häufiger unter Fingolimod auf. 90 Patienten der Fingolimod-Gruppen (12 %) und 65 Patienten der Placebo-Gruppen (8 %) litten unter der Erkrankung.
Untere Atemwegsinfektionen
Untere Atemwegsinfektionen
Allgemein traten untere Atemwegsinfektionen nicht signifikant häufiger bei Patienten der Fingolimod-Gruppe im Vergleich zu Patienten der Placebo-Gruppen auf. Zu den unteren Atemwegsinfektionen wurden auch Lungenentzündungen und Bronchitiden gezählt. Bei der FREEDOMS 1-Studie fiel z. B. ein signifikanter Unterschied bei Bronchitis auf. Hier gab es 34 Patienten (8 %) der Fingolimod-Gruppe, die über eine Bronchitis berichteten gegenüber 15 Patienten (4 %) der Placebo-Gruppe. In der FREEDOMS 2-Studie traten Lungenentzündungen bei 5 Individuen (1 %) der Fingolimod-Gruppe und bei keinem Individuum in der Placebo-Gruppe auf. Fasst man die Daten zu den unteren Atemwegsinfektionen aus beiden Studien zusammen, so ist der Unterschied zwischen Placebo und Fingolimod nicht mehr signifikant.
Leberwerterhöhung
Leberwerterhöhung
Der Leberwert Alanin-Aminotransferase (auch ALT, ALAT oder GPT abgekürzt), erreichte bei 77 Patienten der Fingolimod-Gruppen (10 %) und 21 Patienten der Placebo-Gruppen (3 %) Werte, die das 3-fache der normalen Obergrenze betrugen. Dieser Unterschied war signifikant. Bei einem Patienten der Fingolimod-Gruppe erreichten die Werte das 10-fache der Obergrenze. Bei allen Studienpatienten normalisierten sich nach Absetzen von Fingolimod die Leberwerte wieder. Die Veränderung des Leberwertes ALT trat besonders häufig bei Männern auf.
Bluthochdruck
Bluthochdruck
Bei 58 der Fingolimod-Patienten (7 %) und 27 der Placebo-Patienten (4 %) wurden geringe Blutdruckerhöhungen beobachtet. Dieser Unterschied war signifikant. Es gab einen sehr geringen Anstieg des Blutdrucks bei allen Patienten, der sich ca. 1 Monat nach Therapiebeginn zeigte und während der Behandlung bestehen blieb.
In den Fingolimod-Studien wurde während der ersten Gabe des Medikaments in der Beobachtungszeit eine signifikant erhöhte Anzahl an sogenannten AV-Blöcken beobachtet. Alle bildeten sich spontan zurück. In FREEDOMS 1 und 2 traten während der Erstgabe von 0,5 mg Fingolimod (6 Stunden Überwachung) 19 (2 %) AV-Blöcke 1. Grades auf und 9 (1 %) in der Placebo-Gruppe. In FREEDOMS 2 gab es neben der 6 Stunden-Überwachung als zusätzliche Sicherheitsuntersuchung eine 24 Stunden-EKG-Messung. Hier fanden sich 13 (4 %) AV-Blöcke 1. Grades und 7 (2 %) AV-Blöcke 2. Grades unter Fingolimod. Unter Placebo traten 7 (2 %) AV-Blöcke 1. Grades auf. Auch im Studienverlauf sind einige wenige Fälle von AV-Blöcken beschrieben. Diese waren aber nicht gehäuft unter Fingolimod.
Herzschlagverlangsamung
Herzschlagverlangsamung
Fasst man die Daten aus FREEDOMS 1 und 2 zusammen, so trat eine Verlangsamung des Herzschlags bei 5 Patienten (1 %) der Fingolimod-Gruppe und 1 Patienten (<1 %) der Placebo-Gruppe auf. Dieser Unterschied war nicht signifikant. Die Fälle traten in den ersten 6 Stunden, nachdem das Medikament neu gegeben wurde, auf. Alle normalisierten sich innerhalb von 24 Stunden wieder. Die Verlangsamung des Herzschlags betrug im Durchschnitt 12 – 13 Schläge pro Minute. Das sind ca. 20 % eines normalen Herzrhythmus von 60 bis 80 Schlägen pro Minute. Bei regelmäßiger Einnahme ging die durchschnittliche Herzfrequenz innerhalb eines Monats wieder auf den Ausgangswert zurück.
Durchfall
Durchfall
Durchfall trat in der FREEDOMS 1-Studie bei 50 Patienten (12 %) der Fingolimod-Gruppe und 31 Patienten (7 %) der Placebo-Gruppe und damit signifikant gehäuft auf. Bei den zusammengefassten Zahlen beider Studien gab es aber keinen signifikanten Unterschied.
Augenhintergrundveränderungen
Augenhintergrundveränderungen
Eine Veränderung des Augenhintergrunds mit Wassereinlagerung in der Netzhautmitte, an der Stelle des schärfsten Sehens (auch Makulaödem genannt), kam in FREEDOMS 1 und 2 unter Fingolimod in insgesamt 14 Fällen vor und nur bei 2 Patienten in den Placebo-Gruppen. Die Veränderungen normalisierten sich in der Regel 1 bis 6 Monate nachdem die Therapie beendet wurde. Bei allen Patienten sollte eine Kontrolle des Augenhintergrunds ca. 4 Monate nach Beginn der Einnahme stattfinden, um diese seltene, aber ernsthafte Nebenwirkung zu entdecken.
Verminderung der Lymphozytenzahl im Blut
Verminderung der Lymphozytenzahl im Blut
Durch den Wirkmechanismus von Fingolimod kann die Zahl der Lymphozyten im Blut erniedrigt sein. Eine Erniedrigung der Lymphozytenzahl unter bestimmte Normwerte wird Lymphopenie genannt. Es gab in FREEDOMS 1 und 2 zusammen 42 Patienten (5 %) in den Fingolimod-Gruppen gegenüber 2 Patienten (<1 %) in den Placebo-Gruppen, die erniedrigte Lymphozyten aufwiesen. Dieser Unterschied war signifikant.
Ein Wert von 200 Lymphozyten pro Mikroliter (μl) wurde willkürlich als Grenzwert festgelegt, bei dem Fingolimod pausiert werden soll. Es ist aber zum einen zu bedenken, dass die im Blut gemessene Anzahl der Lymphozyten angesichts des Wirkmechanismus von Fingolimod eine beschränkte Aussagekraft hat, zum anderen gab es in den Zulassungsstudien keine Korrelation zwischen dem Ausmaß der Lymphopenie und einer Infektionsneigung – d.h. die Lymphozytenzahl gibt unter Fingolimod keinen Anhaltspunkt darüber, ob die Abwehrfunktionen des Immunsystems intakt sind. Daher existiert in anderen Ländern kein unterer Grenzwert für die Lymphozytenzahl.
Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle
Schwere Nebenwirkungen und Todesfälle
Durch Fingolimod bedingte schwere Nebenwirkungen und Todesfälle traten in den Studien statistisch nicht gehäuft auf.
Krebserkrankungen
Krebserkrankungen
In FREEDOMS 1 bekamen 1 Patient der 1,25 mg-Fingolimod-Gruppe, 4 Patienten der 0,5 mg-Fingolimod-Gruppe und 3 Patienten der Placebo-Gruppe ein Basalzellkarzinom (auch Basaliome genannt). Dies ist eine bestimmte Art von Hautkrebs. In FREEDOMS 2 gab es in der Fingolimod-Gruppe 10 (2,8 %) Fälle eines Basalioms und in der Placebo-Gruppe 2 (0,6 %) Fälle. Dieser Unterschied war statistisch signifikant.
Auch andere einzelne Krebserkrankungen wurden in den Zulassungsstudien berichtet, es gab aber keine Häufungen von bestimmten Tumoren.
Betrachtet man alle anderen Krebserkrankungen außer den Basalzellkarzinomen, dann gab es in den 1,25 mg-Fingolimod-Gruppen von FREEDOMS 1 und 2 insgesamt 7 Patienten, die eine Krebserkrankung entwickelten, 2 Patienten in den 0,5 mg-Fingolimod-Gruppen und 12 Patienten in den Placebo-Gruppen.
Angesichts dieser Ergebnisse ist unter Fingolimod ein regelmäßiges Hautscreening zu empfehlen. Anhaltspunkte für ein erhöhtes Neubildungsrisiko an anderen Organen als der Haut gibt es derzeit nicht. Es ist aber zu beachten, dass alle Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen, das Krebsrisiko erhöhen können. Daher ist eine regelmäßige Vorsorge empfehlenswert.
Schwere Infektionen
Schwere Infektionen
Es kam in FREEDOMS 2 signifikant häufiger zu schweren Infektionen, wobei es in der Fingolimod-Gruppe 11 (3 %) schwere Infektionen gab und in der Placebo-Gruppe 4 (1 %). Bei der Zusammenfassung der Zahlen aus FREEDOMS 1 und 2 kamen schwere Infektionen aber nicht statistisch signifikant häufiger vor.
Sowohl in der TRANSFORMS-Studie (Vergleich von Fingolimod mit Interferon-beta 1a) als auch nach Markteinführung traten schwere Infektionen mit dem Varizella Zoster Virus (VZV = Windpocken) auf. Vor Therapiebeginn wird daher eine Untersuchung auf Antikörper gegen VZV empfohlen. Hat sich das Immunsystem bis dahin noch nicht mit Variziella Zoster auseinandergesetzt (Test ist negativ) sollte vor Therapiebeginn mit Fingolimod eine Impfung gegen Varizellen (Windpocken = attenuierter Lebendimpfstoff) durchgeführt werden.
Neue Nebenwirkungen nach Abschluss der Zulassungsstudien
Neue Nebenwirkungen nach Abschluss der Zulassungsstudien
Auch bei der Behandlung mit Fingolimod kann – wenn auch deutlich seltener als z.B. bei einer Behandlung mit Natalizumab (Tysabri) – eine progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) als seltene Nebenwirkung auftreten. Ein Zusammenhang der PML-Fälle mit erniedrigten Lymphozytenzahlen konnte bislang für Fingolimod nicht gezeigt werden. Auch eine seltene Pilzinfektion mit Kryptokokken ist im Zusammenhang mit Fingolimod beschrieben. Bei neuen, schweren Kopfschmerzen und Fieber muss daher an eine Kryptokokkose gedacht werden, die sonst nur bei abwehrgeschwächten Patienten auftritt. Nach der Markteinführung sind auch Fälle von Infektionen mit anderen Erregern, die bei immungeschwächten Patienten auftreten, berichtet worden. Dies waren virale Erreger (z. B. Varizella-Zoster-Virus [VZV], Herpessimplex-Virus [HSV]) oder auch bakterielle Erreger (sogenannte atypische Mykobakterien). Manche Infektionen verliefen mit tödlichem Ausgang.
Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen
Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen
Alle bei Erwachsenen beschriebenen Nebenwirkungen sind auch bei Kindern und Jugendlichen möglich. Nebenwirkungen hatten 95 (88,8 %) der Patienten unter Fingolimod und 102 (95,3 %) der Patienten unter Interferon-beta 1a. Bei 4,7 % unter Fingolimod und 2,8 % unter Interferon-beta 1a führten Nebenwirkungen zum Studienabbruch.
Schwere Nebenwirkungen traten bei 16,8 % unter Fingolimod und 6,5 % unter Interferon-beta 1a auf. Unter Fingolimod traten bei 5,6 % der Patienten und nur bei einem Patienten unter Interferon-beta 1a epileptische Anfälle auf.
Unter Fingolimod traten Erniedrigungen der weißen Blutzellen im Blut sowie Infektionen der oberen Atemwege und Erhöhungen des Leberwerts GGT gehäuft auf. Unter Interferon-beta 1a kam es häufiger zu grippeähnlichen Beschwerden, Fieber, Schüttelfrost und Erhöhung des Leberwerts GOT. Unter Fingolimod wurden leichte, isolierte Anstiege der Bilirubinwerte festgestellt.
Auch Fatigue, Angstzustände, depressive Verstimmung und Depressionen wurden bei den mit Fingolimod behandelten Patienten häufiger berichtet als bei den mit Interferon-beta 1a behandelten Patienten. Diese Unterschiede waren statistisch aber nicht sicher.
An schweren Nebenwirkungen wurden unter Fingolimod 1 Fall einer vorübergehenden kompletten Erniedrigung der weißen Blutzellen (Agranulozytose) sowie eine Veränderung des Augenhintergrunds und eine Herzrhythmusstörung mit einer Herzschlagverlangsamung beobachtet. Ein Patient unter Fingolimod hatte eine erhebliche Erhöhung der Leberwerte. Andere schwere Infektionen oder Krebserkrankungen wurden nicht berichtet.
Einnahme
Wann sollte Fingolimod nicht eingenommen werden?
Fingolimod sollte nicht eingenommen werden bei
deutlichen Leberfunktionsstörungen.
schweren Herzrhythmusstörungen, Herzschlagverlangsamung, vorherigen Gefäßereignissen (z. B. Herzinfarkt oder Schlaganfall) und bei bestimmten Herz- und Blutdruckmedikamenten. Hier muss die Einnahme mit dem Arzt besprochen werden.
aktiven (schweren) Infektionen (insbesondere Tuberkulose und Hepatitis B und C).
Patienten mit einem eingeschränkten Immunsystem.
Patienten mit aktiven, bösartigen Erkrankungen.
Patienten mit Makulaödem (eine Erkrankung des Augenhintergrunds).
vorliegender Schwangerschaft oder von stillenden Patientinnen.
Bei schweren Atemwegserkrankungen sollte Fingolimod nur mit Vorsicht und in Ausnahmesituationen angewendet werden.
Wie wird die Medikamentengabe durchgeführt?
Fingolimod sollte unter einer einmaligen 6-stündigen Überwachung des Herzens gestartet werden. Rhythmus, Blutdruck und Herzfrequenz sollten stündlich kontrolliert werden. Nach den 6 Stunden sollte erneut ein EKG gemacht werden, bevor der Patient nach Hause entlassen werden kann.
Vor Therapiebeginn
Worauf ist bei Therapiebeginn zu achten?
Aufklärungsgespräch: Vor der Entscheidung für eine Behandlung werden in einem ausführlichen Arzt-Patienten-Gespräch der Nutzen und die Risiken der Fingolimod-Therapie erläutert. Es muss genügend Zeit für den Informationsaustausch und die Entscheidungsfindung gegeben sein. Alle offenen Fragen sollten besprochen werden. Patienten müssen vor Behandlungsbeginn schriftlich in die Behandlung einwilligen.
Vorerkrankungen: Vor der Behandlung mit Fingolimod wird ein ausführliches Gespräch über Vorerkrankungen geführt und eine klinische Untersuchung vorgenommen. Außerdem erfolgt eine Routineblutuntersuchung (großes Blutbild, Leber- und Nierenwerte) und insbesondere eine Hepatitis-B-Serologie, auch um bestimmte Vorerkrankungen auszuschließen.
Impfungen: Weil Fingolimod die Reaktionsfähigkeit des Immunsystem herabsetzt, sollten vor Therapiebeginn alle Standardimpfungen durchgeführt werden, die die STIKO (Ständige Impfkommission) für Menschen mit einer Immuntheapie empfiehlt. Insbesondere muss überprüft werden, ob eine Immunität gegenüber Windpocken (Varizellen) besteht – ist dies nicht der Fall, muss vor Gabe von Fingolimod gegen Varizellen geimpft werden. Bei Patienten, die bereits eine Therapie erhalten haben, die das Immunsystem beeinflusst oder hemmt, müssen Sicherheitsabstände eingehalten werden. Diese richten sich nach der Wirkdauer der Medikamente. Eine Kurzzeitbehandlung mit Kortikosteroiden (Kortison), z. B. zur Schubtherapie, ist auch während der Behandlung möglich.
Kernspintomografie (MRT): Vor Beginn einer Therapie mit Fingolimod sollte eine aktuelle MRT-Aufnahme des Kopfes gemacht werden, nicht nur um einen Ausgangsbefund zu haben und den Therapieverlauf im Weiteren beurteilen zu können, sondern auch aus Sicherheitsaspekten.
Vortherapien: Falls Sie zuvor bereits eine Therapie erhalten haben, die das Immunsystem beeinflusst oder hemmt, müssen Sicherheitsabstände eingehalten werden. Diese richten sich nach der Wirkdauer der Medikamente. Grundsätzlich sollte sich das Blutbild nach Absetzen einer Vortherapie wieder normalisiert haben. Eine Kurzzeitbehandlung mit Kortikosteroiden (Kortison), z.B. zur Schubtherapie, ist auch während der Behandlung möglich. Sicherheitsabstände vor Therapie mit Fingolimod: Nach Absetzen von Teriflunomid muss ein Anstand von mindestens vier Wochen eingehalten werden, eine Auswaschung von Teriflunomid vor Umstellung ist anzuraten. Nach Absetzen von Natalizumab oder dem Natalizuab-Biosimilar muss eine Wartezeit von ca. sechs Wochen eingehalten werden. Nach Absetzen von Azathioprin, Methotrexat oder Mitoxantron sollte die Wartezeit mindestens drei Monate betragen, nach Cladribin mindestens sechs Monate und nach Alemtuzumab oder Ocrelizumab sechs bis zwölf Monate. Nach Ofatumuab sollte 4 Wochen bis zum Beginn von Fingolimod abgewartet werden.
Was muss vor der Therapie kontrolliert werden?
Wir empfehlen die folgenden Kontrolluntersuchungen vor der Fingolimod-Therapie:
Untersuchung
Wann
Dokumentierte Aufklärung über Therapie und Risiken
vor Therapiebeginn
Anamnese und klinische Untersuchung
vor Therapiebeginn
Blutbild und Differenzialblutbild
vor Therapiebeginn
Leber- und Nierenwerte
vor Therapiebeginn, um einen Ausgangswert zu bestimmen
Schwangerschaftstest für gebärfähige Patientinnen
vor Therapiebeginn, um eine Schwangerschaft auszuschließen
Kernspintomografie des Kopfes
vor Therapiebeginn, um einen Ausgangsbefund zu erstellen
12-Kanal-EKG
vor Therapiebeginn zwingend
Blutdruck
vor Therapiebeginn zwingend
Varizella Zoster Virus; ggf VZV-Impfung
vor Therapiebeginn zwingend
Infektionssuche
vor Therapiebeginn zwingend
Hepatitis B, Hepatitis C, HI-Virus, Tbc
vor Therapiebeginn wünschenswert
Dermatologische Untersuchung
vor Therapiebeginn wünschenswert
Untersuchung der Lunge
bei Verdacht auf Lungenfunktionsstörung
Untersuchung des Augenhintergrunds
bei erhöhtem Risiko für ein Makulaödem
Während der Therapie
Was muss während der Therapie kontrolliert werden?
Wir empfehlen folgende Kontrolluntersuchungen während der Fingolimod-Therapie:
Untersuchung
Wann / Häufigkeit
klinisch-neurologische Untersuchung
alle 3 Monate
Blutbild und Differenzialblutbild
zu Beginn der Therapie nach 2 und 4 Wochen, danach alle 3 bis 6 Monate
Leberwerte
zu Beginn der Therapie nach 2 und 4 Wochen, danach alle 3 bis 6 Monate
Untersuchung des Augenhintergrunds auf ein Makulaödem
nach 3 bis 4 Monaten
Blutdruck
alle 3 bis 6 Monate
MRT
einmal im Jahr
Dermatologische Untersuchung
einmal im Jahr
Untersuchung der Lunge
bei Verdacht auf Lungenfunktionsstörung
Verminderung der Lymphozyten
Lymphozytenwerte unter 200 Zellen/μl gelten als Grenzwert. In jedem Fall sollte der Wert kurzfrisitig kontrolliert werden. Bei anhaltend niedrigen Lymphozytenwerden < 200/µl sollte auch ein Aussetzen des Medikamentes diskutiert werden. Diese Empfehlungen sind als Vorsichtsmaßnahme zu werten. Gegenwärtig gibt es keinen Anhalt dafür, dass vorübergehende Erniedrigungen der Anzahl von Leukozyten und Lymphozyten ein Risiko darstellen.
Leberwerterhöhungen
Wenn die Leberwerte stark ansteigen (mind. 5-fach über Normalwert), müssen wöchentliche Kontrollen der Werte GOT, GPT, GGT, AP und Bilirubin durchgeführt werden. Bei einem wiederholten Anstieg über das 5-fache der Normalwerte sollte Fingolimod abgesetzt werden.
Makulaödem
Bei allen Patienten sollte 3 – 4 Monate nach Therapiebeginn eine augenärztliche Kontrolluntersuchung des Augenhintergrunds erfolgen. Bei Patienten mit Diabetes mellitus oder Entzündungen am Augenhintergrund (eine sogenannte Uveitis) sollte diese auch vor Therapiebeginn schon stattfinden. Wenn Sehstörungen auftreten, sollte in jedem Fall eine Augenuntersuchung durchgeführt werden.
Wie lange wird behandelt?
Es gibt bisher keine Empfehlung für die Dauer der Einnahme. In den Zulassungsstudien wurde Fingolimod über 2 Jahre untersucht. Andere Sicherheitssignale oder Nebenwirkungen als die oben beschriebenen wurden bei langjähriger Einnahme nicht beobachtet. Nutzen und Risiko der Einnahme müssen laufend überprüft werden. Ein Abschätzen des Nutzens ist oft frühestens nach einem Jahr möglich. Als Hinweise für eine Wirksamkeit werden allgemeine Schubfreiheit und das Fehlen neuer Herde im MRT angesehen. Deshalb empfiehlt das KKNMS eine Ausgangs-MRT und anschließend jährlich eine MRT, um Nutzen und auch mögliche Risiken abzuschätzen
Häufige Fragen
Schwangerschaft und Stillzeit
Schwangerschaft und Stillzeit
Fingolimod darf in Schwangerschaft und Stillzeit nicht eingenommen werden.
Auf eine wirksame Verhütung muss geachtet werden. Da Fingolimod über den Einnahmezeitraum hinaus wirken kann, muss es mindestens 2 Monate vor einem geplanten Schwangerschaftsbeginn abgesetzt werden. Sollte eine ungeplante Schwangerschaft auftreten, muss diese nicht abgebrochen werden, aber Fingolimod muss sofort abgesetzt werden.
In tierexperimentellen Studien wurde eine schädigende Wirkung von Fingolimod auf den Embryo beobachtet. Es gab ein gehäuftes Auftreten von Fehlgeburten und Herzfehlern. Zur Anwendung von Fingolimod bei schwangeren Frauen gibt es nur begrenzte Erfahrungen. Nach neuesten Daten ist die Fehlbildungsrate unter Fingolimod von 2 – 3 % in der gesunden Bevölkerung verdoppelt. Es können insbesondere Herzfehler, Nierenfehlbildungen und Fehlbildungen an Muskulatur und Skelett auftreten.
Möglicherweise geht Fingolimod in die Muttermilch über und sollte in der Stillzeit deshalb ebenfalls nicht eingenommen werden.
Impfungen
Impfungen
Die Wirksamkeit von Impfungen kann während der Einnahme und bis zu 2 Monate nach Absetzen von Fingolimod eingeschränkt sein. Grippe- und Tetanusimpfungen sind vermutlich unter Fingolimod möglich und wirksam. Sogenannte Lebendimpfstoffe, bei denen lebende, aber abgeschwächte Erreger verwendet werden, sollten möglichst vermieden werden. Fingolimod-Patienten haben möglicherweise keine ausreichende Abwehr und könnten durch die eigentlich harmlosen Impferreger krank werden.
Infektionen
Infektionen
Beim Auftreten von Infektionen, vor allem bei anhaltendem oder hohem Fieber, sollte ein Arzt aufgesucht werden, um eine Erregersuche zu starten und eine Therapie zu bestimmen. Grundsätzlich muss Fingolimod beim Auftreten üblicher Infekte nicht abgesetzt werden. Bei schweren oder gehäuften Infekten kann im Einzelfall jedoch ein Absetzen erwogen werden.
Was passiert, wenn man Fingolimod absetzt?
Was passiert, wenn man Fingolimod absetzt?
Mehrere Fallberichte haben gezeigt, dass 4 bis 16 Wochen nach Absetzen von Fingolimod ein sogenanntes Rebound-Phänomen auftreten kann. Dabei kommt es durch den plötzlichen Wegfall der Hemmung durch Fingolimod zu einem verstärkten Einstrom von Entzündungszellen ins Nervensystem. Dieses Phänomen kann mit erheblicher Krankheitsaktivität einhergehen.
Alternativen zu Fingolimod
Welche Alternativen gibt es zu Fingolimod?
Fingolimod ist nur eine von verschiedenen zugelassenen MS-Therapien.
Ein begrenzter Vergleich von Fingolimod zu anderen Medikamenten fand nur in der TRANSFORMS-Studie statt, in der es mit Interferon-beta 1a verglichen wurde. Fingolimod zeigte einen signifikant höheren Effekt auf die Schubrate.
TRANSFORMS-Studie
In einer Zulassungsstudie (TRANSFORMS) von Cohen et al, die 2010 veröffentlicht wurde, wurden 1.292 Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose über 1 Jahr entweder täglich oral mit Fingolimod oder wöchentlich mit Injektionen von Interferon-beta 1a (Avonex®) 30 µg behandelt. Dabei gab es eine Fingolimod-Gruppe, die 1,25 mg bekam, und eine, die 0,5 mg bekam.
Teilnehmen konnten Patienten zwischen 18 und 55 Jahren mit einem EDSS-Wert zwischen 0 und 5,5. Sie hatten im letzten Jahr mindestens 1 Schub oder in den letzten 2 Jahren mindestens 2 Schübe. Untersucht wurden die jährliche Schubrate, neue Läsionen im MRT und eine Zunahme der Behinderung. Die jährliche Schubrate war in der 1,25 mg Fingolimod-Gruppe 0,2, in der 0,5 mg Fingolimod-Gruppe 0,16 und in der Interferon-beta 1a-Gruppe 0,33. Ein Unterschied in der Zunahme der Behinderung zwischen den Gruppen wurde nicht festgestellt. Es traten 2 tödliche Gehirninfektionen in der 1,25 mg Fingolimod-Gruppe auf, eine Varizella-Zoster-Enzephalitis und eine Herpes-Enzephalitis. Im direkten Vergleich mit Interferon-beta-Präparaten wies Fingolimod also eine geringere Schubrate und weniger MRT-Läsionen auf, die Zunahme der Behinderung war aber in beiden Gruppen gleich.
Literatur
Veröffentlichungen:
FREEDOMS: Kappos L et al. A placebo-controlled trial of oral fingolimod in relapsing multiple sclerosis. N Engl J Med. 2010 Feb 4;362(5):387-401. Zulassungsstudie mit 2 Dosierungen Fingolimod und Placebo als Vergleich. Wird im Handbuch mit FREEDOMS 1 zitiert.
FREEDOMS II: Calabresi PA et al. Safety and efficacy of fingolimod in patients with relapsing-remitting multiple sclerosis (FREEDOMS II): a double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Neurol. 2014 Jun;13(6):545-56. Zulassungsstudie mit 2 Dosierungen Fingolimod und Placebo als Vergleich. Wird im Handbuch mit FREEDOMS 2 zitiert.
La Mantia L et al. Fingolimod for relapsing-remitting multiple sclerosis. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Apr 19;4:CD009371. Systematische Zusammenfassung und Analyse der Zulassungsstudien.
TRANSFORMS: Cohen JA et al. Oral Fingolimod or Intramuscular Interferon for Relapsing Multiple Sclerosis February 4, 2010 N Engl J Med 2010; 362:402-415. Zulassungsstudie mit Intramuskulärem Interferon-beta und Fingolimod als Vergleich.
PARADIGMS: Chitnis T et al. Trial of Fingolimod versus Interferon Beta-1a in Pediatric Multiple Sclerosis. N Engl J Med. 2018 Sep 13;379(11):1017-1027. Zulassungsstudie für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen.
Autoren der Ursprungsprintversion (September 2019):
Prof. Dr. Christoph Heesen und seine Mitarbeiterinnen Dr. med. Insa Schiffmann, Anne Schneider, Cand. Med., Dr. med. Klarissa Stürner und Marie Toussaint, Cand. Med.
INIMS, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Prof. Dr. Mathias Mäurer
Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation, Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital, Würzburg
Prof. Dr. Uwe K. Zettl
Sektion Neuroimmunologie, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Rostock
Reviewer der Online-Version:
Prof. Dr. Mathias Mäurer
Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation, Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital, Würzburg
Die vorliegenden Informationen wurden vom krankheitsbezogenen Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) in enger Abstimmung mit dem Fachausschuss Versorgungsstrukturen und Therapeutika und dem Vorstand des ärztlichen Beirats der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), Bundesverband e.V. erstellt sowie mit den Betroffenenvertretern und Vertretern des Bundesbeirats MS-Erkrankter der DMSG abgestimmt.
Die Pharmafirmen hatten Gelegenheit das Handbuch zu kommentieren.
Gibt es Interessenkonflikte der Autoren?
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Prof. Dr. Christoph Heesen und seine Mitarbeiterinnen Dr. phil. Anne Rahn und Marie Toussaint, Cand. Med.
INIMS, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Prof. Dr. Clemens Warnke
Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinik Köln
Prof. Dr. Uwe K. Zettl
Sektion Neuroimmunologie, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Rostock
TRANSFORMS-Studie
In einer Zulassungsstudie (TRANSFORMS) von Cohen et al, die 2010 veröffentlicht wurde, wurden 1.292 Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose über 1 Jahr entweder täglich oral mit Fingolimod oder wöchentlich mit Injektionen von Interferon-beta 1a (Avonex®) 30 µg behandelt. Dabei gab es eine Fingolimod-Gruppe, die 1,25 mg bekam, und eine, die 0,5 mg bekam.
Teilnehmen konnten Patienten zwischen 18 und 55 Jahren mit einem EDSS-Wert zwischen 0 und 5,5. Sie hatten im letzten Jahr mindestens 1 Schub oder in den letzten 2 Jahren mindestens 2 Schübe. Untersucht wurden die jährliche Schubrate, neue Läsionen im MRT und eine Zunahme der Behinderung. Die jährliche Schubrate war in der 1,25 mg Fingolimod-Gruppe 0,2, in der 0,5 mg Fingolimod-Gruppe 0,16 und in der Interferon-beta 1a-Gruppe 0,33. Ein Unterschied in der Zunahme der Behinderung zwischen den Gruppen wurde nicht festgestellt. Es traten 2 tödliche Gehirninfektionen in der 1,25 mg Fingolimod-Gruppe auf, eine Varizella-Zoster-Enzephalitis und eine Herpes-Enzephalitis. Im direkten Vergleich mit Interferon-beta-Präparaten wies Fingolimod also eine geringere Schubrate und weniger MRT-Läsionen auf, die Zunahme der Behinderung war aber in beiden Gruppen gleich.