Das Medikament
Kurzgefasst: Dimethylfumarat (Tecfidera®) ist ein Medikament zur Behandlung der schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (MS). Dimethylfumarat wird als Hartkapsel in einer Dosierung von 120 bzw. 240 mg 2 x täglich oral eingenommen. Dimethylfumarat reduziert die Schubrate und es kommt weniger oft zu einer Zunahme der Behinderung. Als wichtigste Nebenwirkungen treten Flushing (Gesichtsrötung, Hitzegefühl), Magen-Darm-Beschwerden und eine Verminderung der weißen Blutzellen auf. Zur Überwachung muss insbesondere zu Beginn der Therapie alle 6-8 Wochen ein Blutbild gemacht werden.
Was ist Dimethylfumarat (Tecfidera®)?
Dimethylfumarat (Tecfidera®) ist abgeleitet von der Fumarsäure, einer in der Natur häufig vorkommenden organisch-chemischen Substanz. Eine Variante der Fumarsäure wurde erstmals 1959 zur Behandlung der Schuppenflechte eingesetzt und ist seit fast 30 Jahren in dieser Indikation zugelassen.
Wie wirkt Dimethylfumarat (Tecfidera®)?
Die genaue Wirkungsweise von Dimethylfumarat bei MS ist nicht vollständig geklärt. Die Substanz besitzt immunmodulatorische Eigenschaften und führt zum Anstieg regulatorischer Zellen und einer Reduktion proinflammatorischer und zytotoxischer T-Zellen. Darüber hinaus werden ihr nicht-immunologische Wirkung im zentralen Nervensystem über die Aktivierung anti-oxidativer Gene (Nrf2) zugeschrieben.
Für wen ist Dimethylfumarat (Tecfidera®) zugelassen?
In der Europäischen Union ist Dimethylfumarat (Tecfidera®) seit 2014 zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmig verlaufender MS zugelassen. 2022 wurde die Indikation erweitert auf die Behandlung von Jugendlichen ab 13 Jahren.
Wie wird Dimethylfumarat (Tecfidera®) verabreicht?
Dimethylfumarat (Tecfidera®) wird 2 x täglich (morgens und abends) als Hartkapsel eingenommen. Zugelassen ist eine Dosis von 2 x 120 mg („Startdosis“) in Woche 1, welche in Woche 2 aufdosiert wird auf 2 x 240 mg („Erhaltungsdosis“). In der Praxis hat sich ein langsameres Aufdosierungsschema bewährt: Start mit 1 x 120 mg in der 1. Woche, gefolgt von 2 x 120 mg in der 2. Woche, 120 mg morgens und 240 mg abends in der 3. Woche und 2 x 240 mg ab der 4. Woche.
Wirkung
Klinische Studien zur Wirksamkeit von Dimethylfumarat (Tecfidera®) bei schubförmiger MS
Die Wirkung von Dimethylfumarat (Tecfidera®) auf die Schubrate und die Zunahme der Behinderung wurde in zwei großen Zulassungsstudien (DEFINE und CONFIRM) geprüft und die Ergebnisse wurden 2012 veröffentlicht.
Insgesamt wurden 2.667 erwachsene Patienten mit aktiver MS über einen Zeitraum von zwei Jahren untersucht. Eingeschlossen wurden Patienten mit aktiver MS, die in den letzten 12 Monaten vor Studienbeginn mindestens einen Schub hatten oder bei denen bis zu sechs Wochen vor Studienbeginn eine kontrastmittelaufnehmende Läsion in der MRT sichtbar war.
In DEFINE wurden zwei unterschiedliche Dimethylfumarat-Dosierungen mit Placebo verglichen (3 Gruppen). In CONFIRM wurden zwei Dimethylfumarat-Dosierungen mit Placebo und Glatirameracetat (Copaxone®) verglichen (4 Gruppen). Magnetresonanztomographie (MRT)-Untersuchungen wurden nur an ausgewählten Studienzentren durchgeführt, weshalb nur für eine Untergruppe von 888 Patienten MRT-Ergebnisse vorliegen.
Die Darstellung der Ergebnisse bezieht sich auf die zugelassene, 2 x tägliche Gabe. Die in den Studien ebenfalls getestete 3 x tägliche Gabe war insgesamt nicht wirksamer. Insgesamt zeigten beide Studien eine signifikant überlegene Wirksamkeit von Dimethylfumarat gegenüber Placebo.
Wirkung auf die Verhinderung von Krankheitsschüben
Im Folgenden wird erklärt, wie viele Patienten nach zwei Jahren Therapie mit Dimethylfumarat (Tecfidera®) oder Einnahme von Placebo noch schubfrei waren. Daraus kann man den absoluten Nutzen (absolute Risikoreduktion) und den relativen Nutzen (relative Risikoreduktion) berechnen.
- Absoluter Nutzen:
Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl der Patienten mit Schüben in der Dimethylfumarat-Gruppe (28 von 100 Patienten) von denen mit Schüben in der Placebo-Gruppe (44 von 100 Patienten) abzieht. Tatsächlich profitieren 44-28=16, also 16 von 100 Patienten von der Therapie.
Entspricht einer absoluten Risikoreduktion von: 16 %. - Relativer Nutzen:
Wird die Wirkung nur bezogen auf die Patienten mit Schüben dargestellt, haben in der Placebo-Gruppe 44 von 100 Patienten einen Schub und in der Dimethylfumarat-Gruppe sind es mit 28 von 100 Patienten 16 weniger. 16 von 44 sind in Prozent umgerechnet 36%.
Entspricht einer relativen Risikoreduktion von: 36%.
72 von 100 Patienten ohne Schub.
16 von 100 Patienten ohne Schub haben einen Vorteil durch die Behandlung mit Dimethylfumarat im Vergleich zu Placebo.
28 von 100 Patienten erfahren während der Behandlung mit Dimethylfumarat einen Schub.
Wirkung auf die Anzahl der Schübe pro Jahr
Die jährliche Schubrate zeigt, wie viele Schübe durchschnittlich pro Jahr pro Patient auftraten. Sie lag in der Placebo-Gruppe bei 0,37 Schüben gegenüber 0,19 in der Dimethylfumarat-Gruppe. Etwas verständlicher ausgedrückt: Die Patienten in der Placebo-Gruppe hatten im Durchschnitt alle 3 Jahre einen Schub, die Patienten in der Dimethylfumarat-Gruppe nur alle 5 Jahre.
Wirkung auf die Verhinderung des Fortschreitens der Behinderung
Die Behinderungsprogression wird innerhalb einer klinischen MS-Studie gemessen, indem man untersucht, wie viel Prozent der Patienten einer Studiengruppe sich während der Studiendauer um einen EDSS-Punkt auf der Behinderungsskala verschlechtert haben (wobei diese Verschlechterung nach 3 Monaten nochmals bestätigt wird, um auch wirklich dauerhafte Veränderung zu bewerten).
Im Folgenden wird erklärt, wie viele Patienten nach 2 Jahren Therapie mit Dimethylfumarat oder Einnahme von Placebo keine Zunahme der Behinderung hatten. Dargestellt sind wieder der absolute Nutzen (absolute Risikoreduktion) und der relative Nutzen (relative Risikoreduktion).
- Absoluter Nutzen:
Der tatsächliche Therapieeffekt zeigt sich, wenn man die Anzahl der Patienten mit einer Zunahme der Behinderung in der Dimethylfumarat-Gruppe (14 von 100 Patienten) von denen mit einer Zunahme der Behinderung in der Placebo-Gruppe (22 von 100 Patienten) abzieht. Tatsächlich profitieren 22-14=8, also 8 von 100 Patienten von der Therapie.
Entspricht einer absoluten Risikoreduktion von: 8 % - Relativer Nutzen: Wird die Wirkung nur bezogen auf die Patienten mit einer Zunahme der Behinderung dargestellt, haben in der Placebo-Gruppe 22 von 100 Patienten eine Zunahme der Behinderung und in der Dimethylfumarat-Gruppe sind es mit 14 von 100 Patienten 8 weniger. 8 von 22 sind in Prozent umgerechnet 36 %.
Entspricht einer relativen Risikoreduktion von: 36 %
86 von 100 Patienten ohne Behinderungsprogression.
8 von 100 Patienten ohne Behinderungsprogression haben einen Vorteil durch die Behandlung mit Dimethylfumarat im Vergleich zu Placebo
14 von 100 Patienten mit schubförmiger MS erfahren während der Behandlung mit Dimethylfumarat eine Progression ihrer Behinderung.
Wirkung auf die Ergebnisse der Kernspintomografie (MRT)
In der Kernspintomografie werden Kontrastmittelanreicherungen und sogenannte T2-Herde sichtbar, die als Ausdruck der Entzündung bei MS betrachtet werden. Dabei können Herde größer werden oder ganz neu auftreten.
20 % der Patienten in der Placebo-Gruppe und 36 % der Patienten in der Dimethylfumarat-Gruppe waren über die Studiendauer frei von neuen oder vergrößerten T2-Herden.
62 % der Patienten in der Placebo-Gruppe und 87 % der Patienten in der Dimethylfumarat-Gruppe hatten über die Studiendauer keine Herde mit Kontrastmittelanreicherungen.
In den Zulassungsstudien von Dimethylfumarat wurde NEDA („no evidence of disease activity“) bei Placebo in 49 % der Patienten und bei Dimethylfumarat in 65 % der Patienten erreicht. Das sind die Patienten, bei denen es über zwei Jahre keine Anzeichen einer Krankheitsaktivität gab.
Nebenwirkungen
Welche Nebenwirkungen hat Dimethylfumarat (Tecfidera®)?
In den Sicherheits- und Verträglichkeitsdaten aus den Zulassungsstudien mit 2.667 Patienten werden folgende häufige Nebenwirkungen aufgezeigt:
- Flushing (Gesichtsrötung, Hitzegefühl)
- Magen-Darm-Beschwerden
- Erhöhung der Leberwerte
- Sekundäre Autoimmunerkrankungen
Die häufigsten Nebenwirkungen im direkten Vergleich
(≥ 10 % der Patienten in einer Behandlungsgruppe)